Obwohl Handball ursprünglich als explizite Frauen-Sportart konzipiert wurde, sind die männlichen Handballer in der Berichterstattung viel präsenter. Für die Spielerinnen bedeutet das, neben der Sportlerkarriere auch ein zweites Standbein aufbauen zu müssen.
Ohrenbetäubender Lärm und sauerstoffarme Luft empfängt jeden, der die Halle betritt. Anspannung liegt in der Luft. Es ist Sonntagnachmittag in der Smidt-Arena, gleich beginnt das Spiel der sogenannten Bayer-Elfen! Jenny Karolius ist der „Käpt’n“ der Mannschaft. Gleich nach dem Anwurf läuft sie an den gegnerischen Kreis und wird sofort von zwei Gegenspielerinnen in die Zange genommen. Trotzdem gelingt es ihr, den Ball zu fangen, beim Wurf aufs Tor aber wird ihr Arm von hinten weggezogen. Klare Sache: Foul – es gibt Siebenmeter.
Handball ist eine klassische Frauensportart. Vor rund hundert Jahren entwarf der Berliner Oberturnwart Max Heiser die Regeln und wollte damit gezielt eine Sportart für Mädchen alternativ zum Jungenspiel Fußball schaffen. Ursprünglich war Handball als Spiel ohne Körperkontakt gedacht. Davon ist heute nichts mehr zu erkennen – im Gegenteil.
Jenny Karolius kann ein Lied davon singen. Nach dem Spiel hat sie unzählige Blutergüsse und Hautabschürfungen. „Ohne Zweifel: Man schadet seinem Körper durch diesen extremen Sport und die damit verbundene tägliche Belastung“, sagt die Spielführerin. Trotzdem möchte sie auf den Sport nicht verzichten. Auch wenn sie davon nicht leben kann. Neben ihrem täglichen Training und den Spielen am Wochenende arbeitet sie als Ergotherapeutin.
„Das große Geld gibt es nur im Männerhandball zu verdienen“, weiß auch Renate Wolf. Sie ist Trainerin, Geschäftsführerin und Managerin der Bayer-Elfen sowie ehemalige Kreisspielerin in der Nationalmannschaft. Im Frauen-Handball spielt die duale Ausbildung eine große Rolle, in Wolfs Mannschaft gibt es viele Schülerinnen, Studentinnen oder Auszubildende. Der TSV Bayer 04 Leverkusen legt Wert auf ein Verbundsystem, das junge Leistungssportlerinnen auf höchstem Niveau ausbildet.
Die Bayer-Elfen und die Bayer-04-Fußballer spielen beide in der 1. Bundesliga, ihre Spielstätten liegen nur wenige Meter auseinander. Und trotzdem trennen beide Mannschaften Welten. „Der Frauenhandball kommt im Vergleich zum Männerfußball in den öffentlichen Medien kaum vor“, berichtet Wolf, „Die gesellschaftliche Rolle der Frau hinkt den Männer immer noch hinterher“. Auch liege der letzte große sportliche Erfolg der Frauennationalmannschaft schon lange zurück.
Eine Gemeinsamkeit zwischen den Fuß- und Handballern von -Bayer 04 gibt es aber doch: „Alle Sportler, die einen Kaderstatus -haben, können sich sporttherapeutisch beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) betreuen lassen. In meiner Mannschaft sind dies momentan fünf Frauen aus dem A-Kader“, erzählt die Trainerin. Außerdem gibt es feste Mannschaftsärzte sowie eine Physiotherapie-Praxis, die sich um das Wohlergehen der Handballerinnen kümmert.
Auf den ersten Blick ist die Doppelbelastung der Handballspielerinnen nachteilig, sie haben wenig Zeit für Familie und Freizeitaktivitäten und steigen oft erst später ins Berufsleben ein. „Allerdings sagt mir meine Erfahrung, dass eine zielstrebige Sportlerin auch eine zielstrebige Mitarbeiterin ist“, schmunzelt Wolf.
Die meisten Leistungssportlerinnen im Handball wissen aber auch die Vorteile, wie das Kennenlernen des eigenen Körpers, die Teamfähigkeit oder viele Freundschaften an vielen Orten, zu schätzen. Karolius hat den Schritt, Handball als Leistungssport zu machen, nie bereut; sie ist mit dem Verlauf ihrer sportlichen Karriere zufrieden.
Und obwohl der Sport sie nicht reich gemacht hat, blickt sie sorgenfrei in die Zukunft. Sie hat ihren zweiten Beruf, und der wird nach ihrer aktiven Handball-Bundesligazeit Nummer eins werden. Und vielleicht bleibt sie ja in Leverkusen und kann nach Ende ihrer eigenen Karriere den jungen Talenten im Verein wertvolle Tipps geben.
Miriam Adamek, 8e, Marienschule Opladen