Gibt es überhaupt eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens? Und wenn ja, gilt die dann für alle? Eine Spurensuche in Philosophie und Literatur – und dem eigenen Weltbild.
Von Franziska Achten, Jahrgangsstufe 11, Bischöfliche Maria-Montessori-Gesamtschule Krefeld
Wovon lebt der Mensch? Wofür lebt der Mensch? Hinter diesen beiden Fragen verbirgt sich ein weitaus tieferer Sinn als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Diese beiden kleinen Fragen leiten den Menschen unweigerlich zu der wohl existenziellsten und bedeutsamsten Frage seines Lebens weiter. Was ist der Sinn meines Lebens?
Schon seit der Antike setzen sich die Menschen mit der Frage nach dem Sinn des Lebens auseinander. Im Alltag, einfach so zwischen Arbeit und Haushalt, scheint diese Frage vergessen, aber wenn unser Leben durch ein Unglück, zum Beispiel Verlust oder Krankheit, ins Wanken gerät, dann taucht sie wieder wie selbstverständlich auf, die Frage nach dem Sinn.
Die Erklärung, warum wir uns die Frage nach dem Sinn unseres Lebens erst in schweren Zeiten stellen, ist eigentlich relativ simpel. Wir haben am Anfang unseres Lebens ein Wertigkeitsbild des Lebens von unseren Eltern, unserem Umfeld vermittelt bekommen und dies im Laufe der Zeit an uns selbst angepasst. Durch einen Schicksalsschlag oder auch einfach nur durch pures Unglück kommen unsere Wertigkeitsvorstellungen, unser Bild vom idealen Leben, ins Schwanken. Ohne Umschweife hinterfragt man vieles. Seine Arbeit, seinen Lebensstil, den Weg den man eingeschlagen hat. Man hinterfragt sein bisher gelebtes Leben und den Sinn, welchen das Leben denn haben soll.
Die Frage bedeutet, es gibt auch eine Antwort
Die Frage nach dem Sinn des Lebens bringt aber auch ihre Problematiken mit sich, denn allein die Frage „Was ist der Sinn des Lebens?“, gibt schon zu verstehen, dass es eine Antwort gibt. Günther Anders, ein deutscher Dichter, Philosoph und Autor, bürgerlicher Name Günther Stern, sagte dazu: „Warum setzen Sie eigentlich voraus, dass ein Leben außer da zu sein auch noch etwas haben müsste oder könnte – eben das, was Sie Sinn nennen?“
Auch die in der Frage verwendeten Begriffe sind nicht eindeutig zu klären. Was ist mit dem Sinn gemeint? Meint der Sinn den Zweck, das Ziel oder den Nutzen? Auch der Begriff des Lebens wirft Zweifel auf. Wird vom biologischen Begriff des Lebens oder vom Leben jedes einzelnen gesprochen? Der Umstand, dass jede Religion, die Philosophie, die Soziologie und die Literatur ebenfalls diese Frage aufgreifen und sie zu teilweise gleichen oder auch unterschiedlichen Antworten kommen, macht die Suche nach der eigentlichen Antwort nicht viel einfacher.
Die Frage nach dem Sinn in Religionen
Im Christentum wird es als Sinn des Lebens angesehen, die Gemeinschaft mit Gott in seinem Leben und auch nach dem Tod auszuüben. Der Islam hingegen hat die Vorstellung, dass der Sinn des Lebens allein darin liegt, Allah zu dienen und sein Wohlgefallen zu erreichen. Auch die Juden haben eine Antwort auf den Sinn des Lebens, wobei dieser auf der Einhaltung der göttlichen Gesetze beruht. Diese drei Religionen haben also alle für sich eine ganz eigene Vorstellung vom Sinn des Lebens, aber trotzdem haben sie darin alle etwas gemeinsam. Alle der drei Religionen verknüpfen den Sinn des Lebens mit Bedingungen oder auch Voraussetzungen.
Die Frage nach dem Sinn in der antiken Philosophie
Schon seit der Antike setzen sich Philosophen mit der Frage nach dem Sinn des Lebens auseinander. In der Antike war man der Überzeugung, dass dieser darin bestehe, vollkommenes Glück zu erlangen. In der Definition, was genau Glück bedeute, unterscheiden sich sowohl Platon, Aristoteles, als auch Epikur voneinander. Heutzutage scheint der Sinn des Lebens eher darin zu liegen aktuelle Bedürfnisse zu befriedigen und den Standard eines guten Lebens zu erreichen. Dabei findet auch die Lehre des Aristoteles wieder Anklang, der Glück darin sieht, ein Werk zu schaffen und in guten Umständen zu leben.
Aus Sicht des deutschen Soziologen und Gesellschaftstheoretikers Niklas Luhmann ist die Frage nach dem Sinn und der Sinn im Allgemeinen das Mittel, aus dem soziale und psychische Gebilde Formen bilden können. Im Bereich des Sinns werden alle Fragen und Antworten, die mit diesem in Verbindung stehen, „verwaltet“. Soziale Gebilde können aus diesen Formen wählen und noch zu verwirklichende umsetzen. Laut Niklas Luhmann ist die Lücke zwischen bereits umgesetzt und noch umzusetzen der Grund für das Handeln aller sozialen Gebilde und der Sinn als Mittel eine unverzichtbare Voraussetzung für dieses Handeln.
Die Frage nach dem Sinn in der Literatur
Auch in der Literatur wurde der Sinn des Lebens auf mehrfache Weise und von den unterschiedlichsten Schriftstellern thematisiert. So fragte schon Shakespeares Hamlet in seinem berühmten Monolog: „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage: Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern des wütenden Geschickes erdulden, oder sich waffnend gegen eine See aus Plagen durch Wiederstand sie enden? Sterben – schlafen. Nichts weiter.“ Damit fragt schon Hamlet nach dem Sinn, wenn doch alles vergänglich ist.
Auch Tolstoi findet den Sinn des Lebens in der Liebe und in der Freude. „Aufgabe des Lebens, seine Bestimmung ist Freude. Freu dich über den Himmel, über die Sonne, über die Sterne, über Gras und Bäume, über die Tiere und die Menschen. Und sei auf der Hut, dass diese Freude durch nichts zerstört wird.“
Meine Antwort auf die Frage nach dem Sinn
Aber auch auf Grundlage all dieser Aussagen, Nachweise und Theorien und auch unter Berücksichtigung der eigenen Geschichte und Eindrücke, fällt es mir schwer eine Antwort auf diese Frage zu finden. Und noch einmal bin ich mir nicht sicher, ob es überhaupt eine Antwort auf diese doch so komplexe Frage gibt. Denn kann es eine Antwort geben, die, wenn man sie findet, immer, in jeder Lebenslage gilt, die einen über Wasser hält, einen trägt und Gewissheit und Mut gibt? Und wenn es diese Antwort gibt, gilt sie dann nur für mich oder kann sie auch für jeden anderen Menschen gelten?
Meine spontane Antwort auf den Sinn des Lebens war immer „Liebe“. Aber nach der genaueren Auseinandersetzung mit dieser Frage und ihrer Differenziertheit, muss ich sie für mich selbst noch einmal genau ausformulieren. Wovon und wofür lebe ich eigentlich?
Die erste Art von Liebe, die jeder Mensch in seinem Leben erfährt, ist die bedingungslose Liebe der Eltern zu ihrem Kind. Und auch später bleibt diese Liebe, die hinter einer Familie steht, bestehen und trägt einen. Genau so, wie die Liebe in einer Familie, zu einem Partner oder in jeglichen Formen einer personellen Beziehung, gibt uns auch die Nächstenliebe einen Sinn. Nächstenliebe ist tief verbunden mit Dankbarkeit, Vertrauen und der Gewissheit, gebraucht zu werden und für jemanden wichtig zu sein.
Egal, in welcher dieser beiden Arten von Liebe, gibt es für mich noch einen Sinn darin. Es ist eine ganz einfache Gleichung: Lieben und geliebt werden. Dies aber aufrecht zu erhalten ist nicht einfach und so gibt es für mich noch eine Aufgabe in Beziehungen. Ich mache den Menschen, die mir einen Sinn im Leben geben, so oft es geht eine Freude, als Dankeschön, als Zeichen meiner Anerkennung, meiner Dankbarkeit, meiner Liebe.
Der zweite große Grund für mich und in meinem Leben, ist die Liebe, die ich zu meinen Plänen, zu meiner Zukunft und zu mir und meinen Talenten entwickelt habe. Dass ich hier meinen Platz und meine Aufgabe, einen Plan und einen Weg gefunden habe, gibt mir zumindest momentan einen Sinn. Ja, alles, was ich oben genannt habe, gibt mir momentan einen Sinn, denn ich bin der Meinung, dass es ein Leben lang nicht den einen Sinn hinter allem gibt. Die eine Erklärung für sein Dasein. Wie die Zeit sich wandelt, so wandelt sich damit auch das Leben, die Auffassung und die Bedeutung des Lebens. Der Weg, den man geht, ändert sich und Pläne werden verworfen oder neu gemacht. So wie die Zeit Neues mit sich bringt, so tut es auch das Leben.
Es ist also unsere Aufgabe, unserem Leben in jeder nur erdenklichen Zeit einen Sinn, ob alt oder neu, zu geben. Die Frage nach dem Sinn des Lebens hat also gar keine dauerhafte, allgemeingültige Antwort, aber jeder kann für sich einen Sinn im Leben finden, immer wieder aufs Neue.
Der Sinn des Lebens ist, dem Leben einen Sinn zu geben. Anders gesagt: Der Sinn des Lebens ist das Leben.