Als einer der erfahrensten Ruderer des Deutschlandachters ist Schlagmann (Vordermann) Kristof Wilke dieses Jahr mit seinen Team-Kollegen nach London gefahren. Die harte Arbeit nach dem Misserfolg bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 hat ich ausgezahlt: Das Team aus Deutschland ist in neuer Besetzung dieses Jahr Olympiasieger geworden und konnte somit seiner Favoriten-Rolle gerecht werden. Ich habe ihm einige Fragen gestellt:
Frage: Herr Wilke, können Sie den Lesern zunächst ihre Funktion im Boot als Schlagmann erklären?
Kristof Wilke: Als Schlagmann gebe ich den Rhythmus im Boot vor. In einem Achter ist es grundsätzlich das Ziel, dass alle acht Ruderer sich möglichst gleichmäßig und gemeinsam im Boot bewegen, damit sich die Massenverschiebung, zu der es während eines Ruderschlags kommt, möglichst gering auf das Fahrttempo auswirkt. Die sieben Ruderer, die hinter mir sitzen, orientieren sich somit an meiner Bewegung.
Frage: Auf welchem Weg kommt man in den Deutschlandachter?
Kristof Wilke: Wir Ruderer müssen uns jedes Jahr wieder für den Achter qualifizieren, was bei uns über den Zweier, die kleinste Bootsklasse im Riemenrudersport, erfolgt. Im Zweier werden verschiedene Tests und Ranglisten ausgefahren, nach denen dann der Trainer den Achter und den Vierer besetzt. Aber auch die Ergometertests und die Passfähigkeit der technischen Seite sind Faktoren, die ausschlaggebend sind, ob jemand im Achter sitzt oder nicht.
Frage: Wieso Rudern und nicht eine andere Sportart?
Kristof Wilke: Ich habe in meiner Kinder- und Jugendzeit auch einige andere Sportarten ausprobiert. Früher bin ich einige Zeit geschwommen und habe später auch viel Basketball gespielt, sowieso bin ich sehr sportbegeistert und spiele auch gern Fußball, Volleyball und so weiter. Auch das Rudern habe ich anfangs nur als AG an der Schule gemacht, aber nie mit dem Ziel, in der Sportart große Erfolge zu feiern. Das Training ist dann immer mehr geworden, ich bin in einen Ruderclub gewechselt und die anderen Sportarten sind nach und nach weggefallen. Rudern ist eine unglaublich faszinierende Sportart. Wir sind immer draußen in der Natur, versuchen uns möglichst schnell über das Wasser zu bewegen, dafür ist eine Symbiose von Kraft, Ausdauer und Technik gefragt. Rudern ist eine sehr anspruchsvolle Sportart, bei der vor allem der Teamgeist gefragt ist. In keiner anderen Sportart ist die Zusammenarbeit von den einzelnen Mitgliedern so entscheidend wie bei uns.
Frage: Wie lange und wie oft trainiert ein Spitzenruderer?
Kristof Wilke: Nach den Olympischen Spielen habe ich es erstmal ruhiger angehen lassen, und ich trainiere momentan nur einmal am Tag und lasse das Training sogar mal ganz ausfallen, wenn ich keine Zeit dazu habe. Aber in einer Saison trainieren wir oft dreimal am Tag und jedesmal mindestens 90 Minuten. In der Woche kommen wir dadurch oft auf über 25 Stunden reine Trainingszeit. Rudern ist unglaublich trainingsintensiver Sport, leider ist dieser Umfang nötig, um Erfolg zu haben.
Frage: Ändert sich der Trainingsort?
Kristof Wilke: Leider ändert sich der Trainingsort nicht so oft wie ich es mir wünsche. Wir trainieren sehr viel auf dem Dortmund-Ems-Kanal, der natürlich recht eintönig ist. Mittlerweile kenne ich darauf auch jeden Zentimeter genau.
Aber wir fahren natürlich auch in Trainingslager nach Italien oder Spanien, was immer auch Spaß macht und was Besonderes ist, auch wenn man dort meist noch mehr trainiert als ohnehin schon. Für uns bedeutet das auch einen großen logistischen Aufwand, weil wir auch unsere Boote zu den jeweiligen Trainingsorten fahren müssen.
Frage: Wo Rudern Sie am liebsten?
Kristof Wilke: Es gibt einige Orte, an denen ich sehr gerne gerudert bin. Besonders schöne Seen, die landschaftlich beeindrucken, sind immer tolle Rudergewässer. Dazu zählen vor allem der Rotsee bei Luzern in der Schweiz und auch der Bleder See in Slowenien. Natürlich rudere ich auch besonders gerne auf dem Bodensee, meiner Heimat.
Frage: Wie würden sie sich ihr Leben ohne Rudern vorstellen? Geht das überhaupt noch?
Kristof Wilke: Ich frage mich durchaus des Öfteren, was ich machen würde, wenn ich nicht täglich morgens und nachmittags trainieren würde, und habe mich auch oft gefragt, ob ich wohl die gewonnene Zeit sinnvoll in mein Studium investieren würde. Aber ehrlich gesagt, kann ich mir das nicht so richtig vorstellen. Ich mache den Sport unheimlich gerne und habe somit auch kein Problem damit, dass ich dadurch deutlich weniger Freizeit habe als manch anderer.
Frage: Was war Ihr schönstes Rudererlebnis?
Kristof Wilke: Es gibt für mich nicht DAS schönste Erlebnis, aber dafür einige, die ich sehr gerne in Erinnerung behalte. Dazu zählen natürlich all die Rennen, die wir in den letzten Jahren gewonnen haben, weil jedes einzelne uns gezeigt hat, dass wir auf dem richtigen Weg sind. So ein Sieg ist letztlich eine tolle Bestätigung, dass wir richtig trainiert haben, fit sind und die Konkurrenz im Griff haben. Aber zu meinen schönsten Rudererlebnissen zähle ich auch eine Ruderwanderfahrt, die ich 2001 gemacht habe. Damals sind wir mit meinem Heimatclub, dem Ruderclub Undine Radolfzell, innerhalb von 14 Tagen von Wien bis nach Vukovar/Kroatien gerudert. Ich erinnere mich wirklich sehr gerne daran, wir hatten sehr viel Spaß zusammen und haben sehr viel gesehen.
Frage: Was ist ihnen durch den Kopf gegangen nachdem Sie mit dem Achter als erstes durch die Ziellinie Gefahren sind?
Kristof Wilke: Ich war natürlich sehr glücklich, dass das geklappt hat, wofür ich vier Jahre lang trainiert habe. Und auch sehr erleichtert, weil wir in diesen vier Jahren alle Rennen gewonnen haben, wir aber eigentlich immer nur genau dieses eine Rennen gewinnen wollten, was ja letztlich auch geklappt hat. Es ist ein toller Lohn für vier Jahre harte Arbeit.
Frage: Wie trainieren Sie nun nach den Olympischen Spielen? Was hat sich verändert?
Kristof Wilke: Ich habe natürlich momentan erstmal nicht mehr soviel Lust auf das Training. Die letzten vier Jahre habe ich quasi für das Rudern gelebt, wir hatten klare Ziele vor Augen, darauf hingearbeitet und sie auch alle erreicht. Jetzt möchte ich erstmal etwas ruhiger treten und mich um mein Studium kümmern, das die letzten Jahre ordentlich unter dem Sport gelitten hat.
Melissa Isen, Krefeld, Gymnasium Fabritianum