Die Gewalt im Fußball fängt oft schon in der Jugend an. Egal, welche Entscheidung der Schiedsrichter auch trifft, irgendjemand hat immer etwas daran auszusetzen. Ecke oder Abstoß? Für die Heimmannschaft oder für das gegnerische Team? Nur eine der Entscheidungen, die ein Schiedsrichter in Sekundenbruchteilen treffen muss. Solche Entscheidungen sind nicht leicht; schon gar nicht für einen Jugendschiedsrichter, der häufig kaum älter als die Spieler ist. Immer wird von allen Seiten gepöbelt. „Aus! Ecke! Schiri was machst du da?“
Doch diese Pöbeleien sind oft noch nicht alles. Es kommt durchaus immer wieder vor, dass die Schiedsrichter nach Schlusspfiff beschimpft oder gar tätlich angegangen werden. So wie in Essen im März 2012, als ein erst 18 Jahre alter Unparteiischer im Anschluss an ein Bezirksligaspiel krankenhausreif geschlagen wurde.
Meistens passieren solche Szenen auf den Plätzen von unterklassigen Teams oder bei Vereinen, die in sozialen Brennpunkten beheimatet sind. Jugendliche, die sich ungerecht behandelt oder benachteiligt fühlen, haben sich oft nicht unter Kontrolle und neigen dazu, gewalttätig zu werden. Der Schiedsrichter ist im Amateurbereich häufig allein und kann sich gegen mehrere Angreifer gar nicht verteidigen.
Für viele Schiedsrichter gehören Beleidigungen inzwischen schon dazu und die Wahrnehmung bei den Unparteiischen hat sich längst geändert. Ein Spiel mit zwei Platzverweisen wegen Schiedsrichterbeleidigung gehört mittlerweile fast zum Alltag.
Im September 2011 wurde ein Berliner Schiedsrichter in einer Alt-Herren-Begegnung von einem Spieler ins Krankenhaus geprügelt, weil dieser ihn vom Platz gestellt hatte. Nur weil in der anderen Mannschaft zufällig ein Sanitäter mitspielte, der ihm die verschluckte Zunge wieder aus dem Rachen holte, ist der Schiedsrichter heute noch am Leben.
Die Täter sind sich in dem Moment des Tritts oder Schlags oft gar nicht darüber bewusst, warum sie den hilflos am Boden liegenden Schiedsrichter erneut verletzen. Frustration über die eigene Leistung, der Eindruck, benachteiligt zu werden, es gibt viele Gründe, die zu einem Ausrasten führen. Die Leistung des Unparteiischen ist dann häufig nur der Auslöser, an der sich die aufgestaute Agression entlädt.
Die Zustände auf den Plätzen haben mittlerweile zu einem dramatischen Schiedsrichtermangel im Amateurbereich geführt. Viele Menschen sehen es nicht mehr ein, sich in ihrer Freizeit Beleidigungen oder Gewalt auszusetzen. Aus diesem Grund gibt es auch immer weniger Nachwuchsschiedsrichter. Die wenigen, die sich trotzdem für das Schiedsrichteramt entscheiden, verlieren häufig schon im Jugendbereich die Lust, wenn sie sich Woche für Woche pöbelnden Eltern gegenübersehen, die jede Entscheidung kommentieren und die Atmosphäre aufheizen.
So wundert es nicht, dass die Spieler schon in der Jugend den Respekt vor dem Schiedsrichter verlieren und nach und nach das Verhalten der Erwachsenen auf dem Spielfeld übernehmen.
Tim Bamberger, Leverkusen, Werner-Heisenberg-Schule