Ich dachte, ich hätte alles unter Kontrolle, dabei war schon längst alles aus den Fugen geraten. Vor etwa einen Jahr wurde bei mir Magersucht diagnostiziert. Seitdem wird mir immer bewusster, dass die heile Welt, die ich mir immer vorspielte, nur ein Schein war.
Es war längst nicht mehr alles in Ordnung, denn meine Arme waren übersät mit Narben und mein Körper war von dem tagelangen Nichtsessen geschunden. Ich wachte so langsam aber sicher aus meinem Traum, in dem sich selbst verletzen und nichts essen normal sind, auf und bekam die blanke Realität vor Augen geführt. Langsam begann ich das zu sehen, was andere in mir sahen. Ich sah, wie schlimm meine Arme ausschauten und ich sah, wie kaputt ich war. Mittlerweile habe ich eingesehen, dass ich krank bin und mich auf den Weg gemacht die Krankheit zu besiegen. Ich sehe mich zwar immer noch nicht selbst als dünn an, aber ich habe einige Gründe für meine Krankheit gefunden.
Bei mir spielt Macht als Krankheitsgrund eine ganz große Rolle. In meiner Kindheit habe ich mich oft sehr machtlos gefühlt, ob es im Umgang mit anderen Menschen war oder in der Schule. Mit der Krankheit durfte ich endlich etwas selbst entscheiden und das war das Hungern und das Schmerz zufügen. Ich habe mich endlich mal als stark empfunden, weil ich diszipliniert genug war mich gegen das Hungergefühl durchzusetzen und ich mich selbst bestrafen konnte.
Momentan wird mir aber auch immer klarer, was die Krankheit mir alles genommen hat – meine Freunde, mein Lächeln, meine Lebensfreude. Und damit wird mir auch immer klarer, dass mein Leben, so wie es jetzt ist, nicht mehr lebenswert ist. Deshalb muss ich jetzt was tun für mich und für meine Familie. Schließlich konnte ich mich dazu durchringen, in eine Klinik zu gehen. Mitte September dieses Jahres hatte man dann einen Platz für mich frei. Als ich dort war, habe ich jedoch ziemlich schnell festgestellt, dass, das nicht der richtige Weg für mich ist, denn ich brauche meine Familie, um das zu schaffen.
Nun stand ich also wieder am Anfang. Nur mir dem Unterschied, dass ich meiner Mutter die Schere, mit der ich mich selbst verletzt hatte, gegeben habe und ihr versprochen habe, drei Mahlzeiten pro Tag zu essen. Mittlerweile betreut mich auch eine Psychologin und ich gehe einmal in der Woche zum Wiegen. Um das Thema mit der Macht zu bekämpfen, habe ich ein Büchlein angefangen, in das ich jeden Tag reinschreibe, wann ich mächtig war, um mir vor Augen zu führen, dass ich gar nicht machtlos bin.
Im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass ich auf einem guten Weg bin die Krankheit zu besiegen. Auch wenn es manchmal noch sehr schwer ist, es viel Kraft kostet und der Weg noch lang und steinig wird, werde ich mein Ziel gesund zu werden, nicht aus den Augen verlieren.
: Schülerin der Gesamtschule Brüggen