Die Spuren unserer jüdischen Mitbürger und die Ausmaße des Holocaust sind selbst heute, mehr als 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, noch sichtbar – Mönchengladbach. Dafür sorgen auch die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde das jüdische Leben in Mönchengladbach großflächig ausgelöscht. Viele jüdische Friedhöfe und Synagogen wurden geschändet oder sogar zerstört. So fielen zum Beispiel die Mönchengladbacher Synagoge, die Rheydter Synagoge, die Odenkirchener Synagoge, die Wickrathberger Synagoge sowie die jüdischen Friedhöfe in Rheydt, Mönchengladbach, Wanlo und Rheindahlen dem Nationalsozialismus zum Opfer.
Unter dem Holocaust litten vor allem die vielen jüdischen Mitbürger. Die jüdische Familie Levy aus Odenkirchen ist nur ein Beispiel. Aufmerksam auf ihr Schicksal wird man durch drei Stolpersteine auf der Straße Zur Burgmühle 24, die am am 27. Januar 2006 vor ihrem früheren Wohnsitz verlegt wurden. Zur Zeit der Machtergreifung Hitlers 1933 lebte die Familie, bestehend aus den Eheleuten Karl und Rosa Levy sowie den Kindern Walter und Elisabeth, in ihrem Haus in Odenkirchen, hinter dem sich die Odenkirchener Synagoge befand – die in der Reichspogromnacht wegen der dichten Bebauung zwar nicht zerstört wurde, später jedoch einer Fliegerbombe zum Opfer fiel. Die Familie Levy litt schwer unter der Weltwirtschaftskrise, dem Boykott jüdischer Geschäfte und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit sowie dem Ausschluss jüdischer Bürger aus dem Kulturleben – alles Folgen der Machtergreifung Hitlers.
1935 wurden den Juden durch die Nürnberger Gesetze alle politischen Rechte aberkannt. Karl Levy war zu dieser Zeit noch sicher, dass er als ehemaliger Soldat des Ersten Weltkriegs sowie durch die Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz nicht gefährdet sei. Mit dem Bewusstsein, dass die Familie völlig verarmt sei, dachte er gar nicht an Auswanderung. Sohn Walter wurde in der Reichskristallnacht vom 9./10. November 1938 zusammengeschlagen, in einen Keller verschleppt, dann aber laufen gelassen und wanderte aus Rücksicht auf die Eltern nicht aus.
Nachdem Heinrich Himmler die Auswanderung von Juden 1941 untersagte, begannen die massenhaften Deportationen in die Konzentrationslager. Walter Levy wurde im April 1942 nach Izbica deportiert, wo sich seine Spur verliert. Seine Mutter, Rosa Levy, wurde im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Januar 1943 starb. Karl Levy wurde zusammen mit seiner Frau deportiert, zunächst nach Theresienstadt und anschließend nach Auschwitz. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Tochter Elisabeth wurde im Oktober 1944 nach Theresienstadt deportiert und am 7. Juni 1945 durch die Alliierten aus dem Konzentrationslager befreit. Sie ist die einzige Überlebende der Familie Levy, 1986 starb sie im Alter von 75 Jahren.
An den Holocaust erinnern deutschland- und europaweit mehr als 56 000 Stolpersteine, die der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt, um ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Damit sind die Stolpersteine das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Aber auch Gedenksteine, Mahnmale und Zeitzeugen verdeutlichen die Folgen des Holocaust. Sie alle haben ein gemeinsames Ziel: Sie arbeiten gegen das Vergessen dieser grausamen Zeit und gedenken all der Menschen, die wegen ihrer Religion ihr Leben verloren haben. Wer die Augen offen hält, findet an vielen Stellen in Mönchengladbach Zeichen gegen das Vergessen, denn in fast jedem Ort von Mönchengladbach stehen Mahnmale. Auch das Buch „Zwischen Tag und Dunkel“ von Hilde Sherman (geb. Zander), die in Mönchengladbach aufwuchs, erzählt von den Gräueltaten des Nationalsozialismus.
Auch Jugendliche machen sich Gedanken zu diesem Thema, etwa im Rahmen der während der Projekt-tage des Gymnasiums Odenkirchen entstandenen Gruppe „Jüdisches Leben in Odenkirchen – eine Spurensuche“, die sich mit der Bestands-aufnahme jüdischen Lebens in Odenkirchen befasst hat. Wichtig war der Gruppe folgendes Zitat des Holocaust-Überlebenden und -späteren Vizepräsidenten des Internationalen Dachau-Komitees Max Mannheimers: „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah, aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“
Amelie Klauth, 8c, Gymnasium Odenkirchen