Von Krish Kapoor, Klasse 9a, Werner-von-Siemens-Realschule, Düsseldorf
Am 27. Juli 2000 um 15 Uhr geschah es. Eine Gruppe von Asyl-Suchenden aus der ehemaligen Sowjetunion kamen gerade von ihrem Deutschkurs zurück, als plötzlich eine Rohrbombe am S-Bahnhof Wehrhahn detonierte. Die Folge: zehn Menschen wurden schwerstverletzt, eine Frau verlor ihr ungeborenes Kind. Alle Personen waren jüdischen Glaubens. Später stellte sich heraus, dass ihnen aufgelauert wurde. Der Täter wartete darauf, dass die Gruppe sich auf dem Rückweg machte und zündete dann die Bombe. Es war ein Anschlag auf die Menschlichkeit.
Verdächtigt wurde Ralf S. Der heute 54-jährige wurde am 31.07.2018 und am 14. Januar 2021 freigesprochen – wegen mangelnder Beweise. Der Verdächtige war bereits polizeibekannt und wurde wegen mehrerer Delikte verurteilt. Ins Visier der Ermittler kam er aber wegen Parallelen zur rechtsextremen Szene: Sein Militärladen galt als Drehkreuz für militante Neonazis. Er selbst soll ein „rassistischer Hetzer“ sein, dem es egal wäre, wenn „hier ein paar Türken oder Griechen verbrennen“ würden. Er soll sogar am Tatort gesehen worden sein.
Anschläge dieser Art sind leider kein Einzelfall. Gerade einmal zwei Monate später erschütterte ein Brandanschlag auf die neue Synagoge in Düsseldorf die Menschen. Bundesweit lassen sich zahlreiche Anschläge auf die jüdische Gemeinde feststellen – Tendenz steigend.
Unweit des Tatorts am Wehrhahn befindet sich die Werner-von-Siemens-Realschule. Trotzdem wissen viele Schüler:innen nicht, was an der Haltestelle, an der sie tagtäglich ein- und aussteigen, vor über 20 Jahren vorgefallen ist. Viele wissen nicht, was in den Straßen, die zu ihrem Schulweg gehören, passiert ist, welche historische und gesellschaftlich wichtige Rolle diese spielen: Die Bedeutung der vielen Stolpersteine oder der Schlachthof, von dem aus 6000 Juden in die Konzentrationslager deportiert wurden, ist ihnen teilweise unbekannt.
Wie an jeder Schule gibt es an der Werner-von-Siemens-Realschule auch Arbeitsgemeinschaften, kurz AGs. Allerdings fällt hier eine der besonderen Art auf: die Courage-AG. In dieser werden Themen behandelt, die die gesamte Gesellschaft betreffen: Rassismus, Diskriminierung, Homophobie, Sexismus und Antisemitismus. Ziel ist es, ein Bewusstsein für solche Themen zu entwickeln und aufzuzeigen, dass jeder Einzelne etwas bewirken kann. Im Rahmen der AG beschäftigen sich die Schüler:innen nun mit dem Anschlag, der sich zwei Gehminuten von ihrer Schule entfernt ereignet hatte. Geplant ist ein Rundgang, in dem die Tatorte fremdenfeindlicher Handlungen besucht und dort angedacht werden soll. Sie arbeiten die Geschehnisse auf und sie erinnern an die Opfer. Es geht vor allem darum, die Folgen von Hass, Hetze und Vorurteilen aufzuzeigen. Sie sagen: „Wir wollen nicht vergessen.