Das Herz des Fahrers gehört seinem Wagen, meint Christoph Richter.
Beobachtungen und Anmerkungen zur Autopflege in Deutschland.
Oder: So behandelt der deutsche Autofahrer sein liebstes Spielzeug.
Seit die Gesellschaft mobil ist, hängt das Herz des deutschen Autofahrers an seinem liebsten Fortbewegungsmittel. Je nach Geldbeutel fährt er Limousine, Cabriolet, Sportcoupé oder Roadster. Die Fahrzeug-Klasse ist eigentlich unerheblich, denn gepflegt werden sie alle mehr oder weniger liebevoll und aufwändig. Schließlich stellt so ein Fahrzeug einen entsprechenden Wert dar.
Deshalb kauft der Durchschnittsbürger auch nur etwa alle zehn Jahre ein neues Kraftfahrzeug. Und man weiß: Nur ein gepflegtes Fahrzeug hat einen entsprechend hohen Wiederverkaufswert.
Aufgefallen ist mir die spezielle Autopflege bei einem Bekannten meiner Eltern, der seine beiden Autos an jedem Samstag mindestens zwei bis drei Stunden putzt und poliert.
Auffallend dabei ist, dass er die verschiedensten Shampoos, Lappen, Schwämme und Staubsaugerdüsen zur Pflege verwendet. Das Endergebnis sieht so aus, dass er sich im Glanz des Autolacks rasieren könnte. Die Freude, die er an seinen mehr als gepflegten Autos hat, übertrifft die Freude eines jeden Kindes an Heiligabend. Doch dieser Nachbar ist ein harmloser Fall.
Neulich war ich mit meinem Vater in einer Waschanlage, und wir haben fasziniert folgende Beobachtung gemacht: Vor uns verlässt ein Mercedes Benz die Waschanlage. Der Fahrer fährt rechts ran, öffnet den Kofferraum. Darin präsentiert sich liebevoll in verschiedenfarbigen Kunststoffbehältern verstaut eine Sammlung unterschiedlichster Autopflegemittel. Da gibt es Pflegemittel für die Außenspiegel, für die Felgen, die Reifen, für das Armaturenbrett, für sonstige Kunststoffteile, für die Sitzpolster, für die Deckenverkleidung und natürlich das Super-Pflegemittel für den Außenlack.
Auch Schwämme, Schwämmchen, Lappen, Läppchen, Bürsten und Bürstchen werden je nach zu pflegendem Autoteil gewechselt und nach Gebrauch wieder sorgfältig gereinigt.
Auffallend ist der zärtliche und liebevolle Gesichtsausdruck, mit dem der Benz-Fahrer „lappenweich” seine Hände über die silberglänzende Außenhaut seines fahrbaren „Zweitwohnsitzes” gleiten lässt.
Christoph Richter, Solingen, Städt. Gesamtschule Solingen