Als Brasilien im Oktober 2007 den Zuschlag für die Fußball-WM bekam, brachen überall im Land Freudenfeiern aus. Heute ist Umfragen zufolge die Mehrheit der Brasilianer der Meinung, die WM müsse nicht unbedingt in ihrem Land stattfinden. Die Schlagzeilen werden bestimmt von Unruhen, Streiks und Polizeiübergriffen.
Es sind die gleichen Bilder wie vor einem Jahr. Schon während des Confederations Cups vor einem Jahr gingen Millionen Brasilianer auf die Straße und protestierten gegen Missachtung vieler Arbeiter und die hohen Ausgaben für die Fußball-WM. Nachdem die ersten Proteste mit brutalem Polizeieinsatz niedergekämpft wurden, versuchte die Regierung es später mit Verständnis und Versprechungen. Doch die unzufriedene Stimmung im Lande blieb.
Die Brasilianer bedauern auch, dass das angesprochene Ausbauen der Infrastruktur nicht realisiert wurde. Nach der WM werden viel zu teure Stadien an außerhalb liegenden Standorten, wie Manaus und Cuiabá stehen, wo dann nur drittklassige Clubs vor leeren Rängen spielen. Zahlreiche Projekte zur Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs an den WM-Spielorten sind dagegen weit in Verzug oder ganz aufgegeben worden.
Für viele Menschen in Brasilien steht jetzt schon fest, dass sie sich nicht nur noch auf das kommende Sportereignisses freuen können, sondern im Schatten der WM sind. Zum Beispiel manche Bürger, die für den Bau von Stadien und für Straßenprojekte angesetzt waren und die bis heute auf eine gerechte Entschädigung warten. Indios, deren Kultureinrichtungen durch die WM in Gefahr geraten. Sozialarbeiter, die nun sehen müssen, dass für wichtige Projekte zur Bekämpfung von Kriminalität und Jugendprostitution kein Geld mehr vorhanden ist.
Die Regierung redet die Proteste zwar klein, wirkt aber hinter den Kulissen dennoch zumindest beunruhigt. Auch die Proteste im vergangenen Jahr, die in eine Massendemonstration mit zwei Millionen Teilnehmern endeten, hatten mit wenigen hundert Demonstranten begonnen.
In fast allen brasilianischen WM-Städten sind Menschen missachtet worden. Sie mussten für die Stadien, für Straßenbauprojekte und Bahntrassen ihre Häuser verlassen. Kein Wunder, dass viele Brasilianer keine Lust mehr auf die WM haben.
Marius Kesting, 8a, Gymnasium Am Neandertal Erkrath