Es ist 13.12 Uhr im Klassenzimmer eines deutschen Gymnasiums. Fünf Stunden Unterricht liegen bereits hinter den 30 Schülern, zwei haben sie noch vor sich. Die Lehrerin stellt eine Aufgabe – doch dies wird kaum realisiert.
Grund: Die Konzentration der Schüler lässt nach, sie sind erschöpft. Das hat zur Folge, dass kaum einer dem Unterrichtsgeschehen folgen kann, die Geräuschkulisse steigt. Eine Schülerin bittet um Wiederholung der Aufgabenstellung, sie sitzt in der letzten Reihe. Nun kündigt die Lehrerin eine Arbeit an, wird dabei von vielen überhört – der Klassenclown hat etwas zu verkünden.
Als die Lehrerin nach dem Gong den Raum verlässt, wird es nicht besser, im Gegenteil: der Lärmpegel steigt, auch wenn man dies vorher nicht für möglich hielt. Ein Junge meint, sich deodorieren zu müssen. Andere Schüler ziehen nach: unterschiedlichste Duftstoffe verpesten die Luft. Man reißt das Fenster auf und die Raumtemperatur sinkt auf gefühlte drei Grad. Auf Wunsch einiger Frierender wird es bald wieder geschlossen, Lüftungseffekt gleich null.
Hohe Belastung, Leistungsdruck, Lärm – für Schüler sind sie alltäglich. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen: Laut der Jugendgesundheitsuntersuchung Stuttgart leiden mehr als die Hälfte von 2000 untersuchten Jugendlichen unter anhaltenden psychosomatischen Beschwerden. Diese äußern sich auf unterschiedliche Weise: wo der eine Schüler über Kopfschmerzen klagt, leidet der nächste unter Schlafstörungen, ein dritter hat Magenprobleme.
Eine Studie aus Aachen belegt: auch die psychischen Beschwerden der Schüler sind keineswegs auf die leichte Schulter zu nehmen. Bereits 15 Prozent aller Schüler wurden psychiatrisch auffällig, ohne Behandlung besteht das Risiko einer dauerhaften Störung. Die Probleme reichen hier von gestörtem Sozialverhalten und zunehmender Aggressivität bis hin zu sozialem Rückzug und Depressionen.
Die Situation an Schulen insgesamt wird hierdurch zusehends angespannter. Und nicht nur die Psyche der Schüler leidet: Untersuchungen zeigten, dass sich die Lärmbelästigung in Klassenzimmern, die immerhin der einer vielbefahrenen Straße entspricht, negativ auf die Leistungen der Schüler auswirkt. Wahrnehmungsforscherin Maria Klatte sagte dazu, die Leistung von Kindern sei – lärmbedingt – um 25 Prozent gemindert. Auch exzessiv aufgetragene Duftstoffe stellen ein Problem dar: Sie können Allergien und Astma auslösen, reizen die Atemwege und verursachen Konzentrationsstörungen.
Und nicht nur Schüler leiden unter den schlechten Unterrichtsbedingungen: jeder fünfte Lehrer benötigt psychologische Unterstützung. Die Gründe: Überbelastung, Erschöpfung und Resignation. Von den frühzeitig aus dem Schuldienst ausscheidenden Lehrern ist bei 52 Prozent die psychische Belastung Hauptursache.
Eine schnelle Lösung scheint es nicht zu geben: Erschöpfte Lehrer sind überfordert mir ihren lauten und unkonzentrierten Schülern. Effektives Lernen ist in einer solchen Atmosphäre nicht möglich.
Bleibt nur noch auf Besserung zu hoffen.
Leonie Räder, Düsseldorf, Städt.gymnasium Koblenzer Straße