von Mirabelle Trowe, Klasse 9, International School of Düsseldorf, Düsseldorf
Die Sichel macht Pft, Pft. Ein Schrei zerreißt die Stille. Shiva sieht an ihrem Sari hinunter und sieht Blut im Wasser. Sie steht mit nackten Füßen im Reisfeld und hat sich schon das dritte Mal an ihrer Sichel geschnitten. Ihr Rücken schmerzt. Trotzdem bückt sie sich, um eine weitere Reispflanze einzupflanzen. Eine von bisher 150. Sie braucht 30 Sekunden für jeden Vorgang, das macht 120 Pflanzen pro Stunde. Pro Tag wären das 1200, denn sie arbeitet zehn Stunden am Tag.
Harte Arbeitsbedingungen auf dem Reisfeld
Die Arbeitszeiten in Bangladesch sind anders als in Deutschland. Dort arbeitet man zehn Stunden jeden Tag, sechs Tage die Woche, bei Erntezeit sind es sieben Tage. Und der Arbeitstag ist erst dann beendet, wenn ihr Boss mit dem Ertrag zufrieden ist. Obwohl Shiva im Wasser steht, schwitzt sie laufend. Die Tagesdurchschnittstemperatur in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, beträgt 30 Grad. Sie spürt den brennenden Schweiß in ihrer Wunde an der Hand. Ein Verbandskasten liegt am Rande des Feldes. Der ist jedoch leer, denn Verbände sind zu teuer.
Das Salz im Schweiß reizt die Wunde. Sie reißt sich zusammen und hebt eine weitere Pflanze hoch. Der Schlamm steht hoch, sie kann ihre dünnen, vom Wasser geschwollenen Füße nicht mehr sehen. Ihr ist heiß. Sie hat Hunger. Ihre Knie zittern. Ihr Rücken schmerzt. Eine schmutzige Träne läuft über ihre Wange. Sie denkt an ihre leidende Familie, sie muss Essen auf den Tisch kriegen. Pausen machen geht nicht. Sie atmet tief ein und bückt sich nach einer weiteren Reispflanze.
Alltag für eine 15-Jährige auf dem Reisfeld
Shiva ist 15 Jahre alt, und das älteste Kind von ihren fünf Geschwistern. Jeden Morgen muss sie um vier Uhr aufstehen. Ihre Mutter kann sie nicht wecken, denn sie leidet an Krebs. Denn sie hat auch in den Reisfeldern gearbeitet. Die Wurzeln der Pflanzen saugen auf den unter Wasser stehenden Feldern Arsen auf. Das ist stark krebserregend.
Der Tag beginnt für Shiva früh. Die Stunde von vier bis fünf Uhr nutzt sie, um ihrer Familie Frühstück zu machen. Den Abwasch macht ihr Bruder, der siebenjährige Avan. Das Geschirr zum Trocknen legt er auf die Wiese. Dann ist es Zeit zum Aufbrechen: Shivas Weg zur Arbeit dauert ungefähr 30 Minuten. Den geht sie barfuß. Geld für Schuhe hat sie nicht. Schuhgeschäfte gibt es in ihrem Dorf ohnehin nicht.
Sie und ihre Geschwister verlassen die ärmliche Blechhütte. Der Weg besteht aus Lehm. Der ist steinig und sehr dreckig. In der Regenzeit braucht sie doppelt so lang, weil der Pfad unter Wasser steht. Einmal an den Reisfeldern angekommen, sieht sie, was wieder auf sie zukommt. Ihre Arbeit ist monoton, schnell erlernbar. Jeder ist austauschbar. Das drückt die Preise für den Reis nach unten – und damit auch den Lohn. Trotzdem ist der Reis für Shivas Familie immer noch sehr teuer.
Geldsorgen sind Normalität
Viele Kinder in Bangladesch, unter anderem Shiva und ihre Geschwister, leiden sind stark unterernährt. „Viele von ihnen berichten, dass sie nur eine Mahlzeit pro Tag essen, meistens nur Reis mit etwas Salz. Und es wird nicht lange dauern, bis wir schwere medizinische Folgen durch Mangel- und Unterernährung beobachten werden“, sagt Fred Witteveen, der Landesdirektor von World Vision in Bangladesch. Es gibt wie jeden Tag die Reste vom Abend zuvor. Reis mit Gemüse und dazu ein Glas Wasser.
Für mehr reicht ihr Einkommen nicht aus. Sie verdient 1.482 Euro, aber nicht im Monat, sondern im Jahr. Miete für die Familie muss sie auch noch zahlen. 800 Taka sind das im Monat, umgerechnet circa sieben Euro. Dafür bekommt sie eine kleine Hütte aus Blech. Die teilt sie mit ihren fünf Geschwistern und ihrer Mutter. Ihr Vater ist in der Schwefelmine verstorben. Verwandte können sie auch nicht unterstützen, denn sie haben auch kein Geld.
Warum Fairtrade Shiva helfen kann
In Deutschland kostet ein Kilo Reis im Schnitt drei Euro. Der Preis für ein Kilo Fairtrade-Reis liegt bei ungefähr zehn Euro. Für die meisten Menschen bezahlbar, findet die Fairtrade-Organisation Deutschland. Diese will die Situation für Plantagenarbeiter wie Shiva verbessern. Das Ziel ist es, Menschen in den Anbauländern so zu unterstützen, dass sie ihre Armut aus eigener Kraft überwinden können. So hat Shiva zumindest eine kleine Chance, das gerechte Leben eines Kindes zu führen.