Wenn man in ein anderes Land kommt, fühlt man sich oft fehl am Platz und hat das Gefühl, sich nicht in die Gesellschaft integrieren zu können. So geht es momentan Tausenden von Kinder – Immigranten, die vor Kurzem nach Deutschland eingewandert sind. Vor vier Jahren war auch ich davon betroffen und litt sehr darunter, auch jetzt teilweise noch. Nicht aufgeben und weiterkämpfen war das, was mir in vielen Situationen geholfen hat.
Von Anastasia Timochin, Klasse 8, Werner-Jaeger-Gymnasium
Besonders im jungen Alter tut es sehr weh, seine Heimat zu verlassen. Schließlich haben sich an diesem Ort Dinge ereignet, die die Kindheit am meisten prägen: Erste Schritte, erste Worte, die schönen Tage im Kindergarten, am Wochenende bei Oma übernachten und mit Mama auf dem Spielplatz Fangen spielen – all die schönen Erlebnisse, die man wertschätzt und für immer im Kopf behält. Und dann, plötzlich: Fremdes Land und neues Leben. Alles wieder von vorn anfangen. Das alte Leben hinter sich liegen lassen. Eine Horrorvorstellung für ein Kind, die zur bitteren Realität geworden ist.
Im Ganzen betrachtet gibt es viele Unterschiede zwischen Deutschland und Russland, weshalb mir bei der Anreise vieles befremdlich vorkam. Zum Beispiel wunderte es mich, dass so etwas wie Grundschule und weiterführende Schule existiert, wohingegen es in Russland eine gemeinsame Schule für die Klassen 1 bis 11 gibt. Überdies war ich es nicht gewohnt, keine Schuluniform-Pflicht zu haben, da ich normalerweise immer eine Schuluniform tragen musste.
Doch am meisten hat mich die Begegnung mit den Menschen unterschiedlicher Herkunft fasziniert: Italiener, Polen, Iraker, Araber, Niederländer, Türken, Rumänen, Russen… Am Anfang konnte ich nur staunen, dass in einem Land so viele Menschen aus allen Ecken des Planeten leben können. Meiner Meinung nach ist das der größte Unterschied zwischen Deutschland und meinem Heimatland.
In der Schule ist es die Sprache, die zum Verhängnis wird, besonders, wenn man sie vorher nicht gelernt hatte. Dementsprechend ist es anfangs unmöglich, seine Mitschüler und Lehrer verstehen zu können. Ich erinnere mich, wie ich nach der Schule zurückkehrte und meine Mama mich tröstete und aufmunterte, dass ich es schaffen werde.
Mit viel Hoffnung und Fleiß setzt man sich schließlich ans Lernen. Mit der Zeit stabilisiert sich alles, man wird immer mehr zum Teil der Gesellschaft, beherrscht die Sprache besser und passt sich an. Öfters scheint es unmöglich zu sein, an sein Ziel zu kommen und in der Zukunft wieder Glück zu finden und den Schmerz zu vergessen. Denn die kleine Wunde im Herzen bleibt, und sie lässt von sich wissen, wenn man an das Heimatland denkt.
Betont werden muss aber, dass ich stolz auf mich bin, weil ich in den letzten Jahren viel erreicht habe und trotz des Leidens mit der neuen Erfahrung zu dem Menschen geworden bin, der ich gerade bin. Ein Mensch, der die Welt von einer ganz anderen Perspektive sieht als früher. Ich habe gelernt, dass man nie aufgeben, sondern kämpfen muss, auch wenn einem das Leben Hindernisse in den Weg stellt.
Sicherlich werden sich in diesem Artikel viele Kinder wiedererkennen. In der Tat möchte ich durch meine Erfahrung Kinder, die sich zurzeit mit einer ähnlichen Situation auseinandersetzen, inspirieren und ihnen Mut zusprechen.