Bablu soll in Freiheit leben

Es gab noch nie so viele Menschen in Sklaverei wie heute. Die „International Justice Mission“ versucht dagegen vorzugehen.

Von Nina Groß, 8b, Konrad-Heresbach-Gymnasiums Mettmann

Die „International Justice Mission“, kurz IJM, ist eine gemeinnützige Organisation, die seit über 20 Jahren gegen Sklaverei kämpft. Gegründet wurde IJM 1997 von dem US-amerikanischen Rechtsanwalt Gary Haugen, der von den Vereinten Nationen zum Chefermittler für die Aufklärung des Völkermords in Ruanda beauftragt worden war. Seine Erfahrungen im Rahmen dieser Tätigkeit waren der Grund, warum er IJM gründete. Der deutsche Zweig der christlichen Hilfsorganisation versteht sich seitdem als Kämpfer gegen Menschenhandel, Zwangsprostitution, Polizeigewalt und moderne Sklaverei. Die NGO leistet politische Arbeit, Bildungsarbeit und Aufklärungsarbeit. Ohne Rechtssicherheit und wirksamen Schutz vor Gewalt, so die Philosophie von IJM, sind Ziele der Entwicklungszusammenarbeit wie der Kampf gegen Armut, Hunger und Krankheiten nicht nachhaltig zu erreichen, wie das Beispiel von Thaiyamma zeigt.

Thaiyamma ist eine Mutter aus Indien. Sie kocht in ihrer kleinen offenen Hütte Curry für ihre Familie. Ihre Tochter Lavanya sitzt in einer Schaukel aus Tüchern und fragt ihre Mutter, ob sie ihr eine Geschichte erzählen könne. Daraufhin erzählt die Mutter eine wahre Geschichte aus ihrem Leben: Weil Lavanya krank wurde, musste die Familie sich Geld leihen, um den Arzt zu bezahlen.

Wegen der Schulden in Höhe von umgerechnet 13 Euro mussten Thaiyamma und ihr Mann in einer Holzfällerei arbeiten. Dort herrschten keine guten Bedingungen: Sie wurden geschlagen, mussten ohne Schutz unter Bäumen schlafen und Thaiyamma konnte sich nicht um ihre Tochter kümmern, die oft vor Hunger weinte, da das Essen nur für eine Mahlzeit am Tag ausreichte. Thaiyamma sagt mit bedrückter Stimme zu Lavanya: „Immer, wenn du mich angesehen hast, wurde ich sehr traurig. Ich fühlte mich schlecht, weil du mich so leiden sehen musstest.“

Aus Angst vor dem Chef, der eher ein Sklavenhalter war und von den Arbeitern „Die Bestie“ genannt wurde, weil er so herzlos war, traute sich niemand gegen ihn vorzugehen. Als Thaiyamma bemerkte, dass sie erneut schwanger war, wusste sie nicht, was sie tun sollte. Sie hatte schon vor langer Zeit von einem Dorfältestem die Telefonnummer von IJM bekommen, doch bislang hatte sie sich nicht getraut, dort anzurufen, aus Angst vor einer brutalen Strafe durch „die Bestie“. Die Schwangerschaft gab ihr schließlich den Mut, heimlich einen Ermittler von IJM anzurufen, damit ihr zweites Kind in Freiheit geboren werde und eine Chance auf ein normales Leben habe. Kurze Zeit später gelang es IJM mit Hilfe der örtlichen Polizei alle zu befreien. Durch Thaiyammas Aussage wurde der Besitzer durch ein Gericht verurteilt. Baby Bablu wurde in Freiheit geboren.

Leider ist dies kein Einzelfall: Es leben immer noch 40,3 Millionen Menschen in Sklaverei, wovon 10 Millionen Kinder sind. Es gab noch nie so viel Sklaverei in der Welt wie heute. Auch wir werden in Europa täglich damit konfrontiert, zum Beispiel indem wir Waren benutzen, die in Sklaverei hergestellt wurden. Folgende Waren sind in Deutschland besonders betroffen: Computer, Smartphones, Kleidung, Kakao und Fisch. Ein T-Shirt für 5 Euro kann einfach nicht fair produziert worden sein. Fast jeder benutzt täglich ein Smartphone oder einen Computer, und fast niemand hat eine Ahnung davon, wie es produziert wurde oder unter welchen Bedingungen die Menschen arbeiten mussten. Gerade bei der Gewinnung von Rohstoffen herrschen schlimme Bedingungen. Wenn wir etwas besonders billig bekommen, dann ist das sehr häufig so, dass jemand anderes den Preis dafür zahlt.

Die International Justice Mission versucht, Menschen aus verschiedenen Ländern Afrikas, Südasiens und Lateinamerikas aus Sklaverei und Schuldknechtschaft zu befreien. Doch wie genau geht das? IJM arbeitet sehr eng mit der örtlichen Polizei zusammen. Sie gehen Hinweisen nach und versuchen dann mit verdeckten Ermittlern, die Menschen zu befreien und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. Anwälte unterstützen die Justiz bei der strafrechtlichen Verfolgung. IJM hat schon zur Verurteilung von 1.300 Straftätern beigetragen. Für die befreiten Menschen gibt es ein Nachsorgeprogramm, in dem Psychologen und Sozialarbeiter den Menschen helfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und in Freiheit und Würde zurückzukehren. Bislang ist es IJM gelungen 45.000 Menschen aus Sklaverei zu befreien.

Außerdem stärkt IJM auch die Rechtssysteme, um das Problem bei der Wurzel zu packen. Denn IJM ist überzeugt, dass Sklaverei und Menschenhandel heute so verbreitet sind, weil Rechtssysteme in Ländern nicht funktionieren und arme Menschen nicht schützen. Dabei gibt es vier Schritte, um dies zu stoppen: Opfer befreien, Täter überführen, Menschen stärken, Rechtssysteme verändern.

Nach der Befreiung der Opfer ist es von immenser Wichtigkeit, dass die Täter auch in Gerichtsverfahren verurteilt werden und angemessene Strafen erhalten. Um das zu gewährleisten, werden den Opfern Rechtsanwälte zur Seite gestellt, die sie vertreten. Sie stellen außerdem sicher, dass es keine unzulässigen Absprachen zwischen Richtern, Staatsanwälten und vorher Polizisten mit den Tätern gibt. Bestechung und Korruption dürfen nicht auftreten. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Täter mit anderen versklavten Menschen da weiter machen können, wo sie aufgehört haben. Die Opfer, oftmals verängstigte Menschen, werden umfassend gestärkt, um wieder ein halbwegs normales Leben führen zu können. Sie erhalten eine neue Perspektive für ihr Leben und lernen, ihre Rechte wahrzunehmen. Aktuell werden 3.760 Betroffene begleitet. Um arme Menschen dauerhaft vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen, schult und berät IJM Personen und Behörden vor Ort in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Regierungen. Weltweit hat IJM bisher über 131.000 Beamte und Personen der Zivilgesellschaft als Multiplikatoren geschult.