Interview mit einem Schuldirektor: – „Amokläufe wird man nie verhindern können“

Der Amoklauf des 17-jährigen Tim K. ist nun schon über zwei Monat her. Am 11. März hatte der ehemalige Schüler der Albert-Ville Realschule in Winnenden 15 Menschen, darunter 3 Lehrer erschossen und sich nach der Tat selbst das Leben genommen.

In den Medien wurde viel über dieses Thema berichtet. Auch an den Schülern des Städtischen Gymnasiums Goch ging dieses Ereignis nicht vorbei. Auch einige Tage nach dem Geschehen war es noch ein Gesprächsthema in den Klassen. Aber wie haben Schüler, Lehrer und Direktoren dieses Ereignis wahrgenommen? Wir haben Herrn van Eickels, den Schuldirektor des Städtischen Gymnasiums Goch, zu diesem Thema interviewt.

Glauben Sie, Pädagogen erleben Amokläufe anders als andere Bürger?

Sie werden solch schreckliche Ereignisse wahrscheinlich nicht anders erleben als andere Bürger, die auch davon betroffen sind. Ich denke, wenn jemand in seinem Leben irgendwo an seiner Arbeitsstelle unmittelbar davon betroffen ist, hat er ein anderes Erleben, als wenn er durch die Presse zum Beispiel darüber informiert wird. Insofern als dieser Amoklauf innerhalb einer Schule geschah und Lehrer stets ein besonderes Verantwortungsbewusstsein für ihre Schülerinnen und Schüler haben, werden sie eine solche Katastrophe dann auch natürlich etwas intensiver erleben.

Wie haben Sie persönlich den Amoklauf in Winnenden erlebt?

Ich hatte Kenntnis davon bekommen durch die Medien im Laufe des Tages, zunächst über den Rundfunk. Später habe ich mir dann im Fernsehen Berichte angesehen. Ich war zunächst selbstverständlich erschüttert, im Laufe des Abends fand ich dann aber, dass die Medien das Ereignis meiner Meinung nach viel zu breit aufgebauscht haben und an vielen Stellen einfach Beiträge immer wiederholt und ständig neu vorgeführt wurden, sodass tatsächlich so ein Vorführ- oder Show-Effekt erzielt wurde, der der Sache gar nicht mehr angemessen war.

Auch hier in unserer Region wurden bereits Amokläufe angekündigt. Verunsichert Sie so etwas?

Im Kreis Kleve waren ja wohl Schüler, die glaubten, einen dummen Jungenstreich machen zu müssen, aber eine solche Sache ist natürlich viel zu ernst als dass man damit irgendwelche Witze macht. Es ist wohl so in Kalkar gewesen, dass eine Schule davon betroffen war. Leider kann man eine solche Aktion nie ausschließen, denn die Dummen sterben leider nicht aus.

Warum glauben Sie, begehen Jugendliche Amokläufe?

Das ist ein ganz vielschichtiges Problem und man hört jetzt ja auch in der weiteren Aufbereitung des letzten Falles zum Beispiel, dass dort ganz viele und ganz unterschiedliche Versionen dargestellt werden und dass sehr häufig recht persönliche Dinge der Täter eine Rolle spielen. Nach der Meinung der Experten war es ja auch meistens so, dass die betroffenen Schülerinnen und Schüler jeweils ihre eigene Lebensperspektive und ihren eigenen Lebensweg gegangen waren und man nicht generalisieren konnte, warum jemand so etwas macht.

Einige Schulen verfügen über Schulpsychologen, an die sich Schüler bei Problemen wenden können. Doch leider ist das nicht bei allen Schulen so. Warum glauben Sie, werden so wenig Schulpsychologen eingestellt?

Das ist auf der einen Seite natürlich eine Kostenfrage. Schulpsychologen einzustellen kostet Geld. Es gibt hier bei uns im Kreis eine Schulpsychologin, die aber eher Ansprechpartnerin für Lehrer oder für Schulleiter ist, die aber im Falle eines Falles natürlich auch noch anderen zur Verfügung stünde. Dann gibt es darüber hinaus auch noch Anbieter wie Caritas oder andere Organisationen, die auch psychologische Beratung bieten.

Planen Sie Präventionen gegen Amokläufe an unserer Schulen? Wie glauben Sie können Amokläufe verhindert werden?

Im Endeffekt wird man Amokläufe wahrscheinlich nie verhindern können, leider Gottes nicht. Bei den Tätern handelt es sich meist um momentan sehr verwirrte Menschen, die in der Regel vorher nicht so auffällig geworden sind, dass man im Vorfeld schon hätte erkennen können, dass sie einen Amoklauf planen. Wichtig wäre, dass alle am Schulleben Beteiligten sehr genau aufpassen, ob es auch nur geringe Anzeichen oder Probleme bei Mitschülern gibt, auf die man reagieren müsste. Herr van Eickels, wir bedanken uns rechtherzlich für das Gespräch.

Joy Reißner und Lisa Scholl, Goch, Gymnasium der Stadt Goch