Interview mit vier sehbehinderten Frauen – „Besonders in der Fremde merkt man, wie hilflos man ist“

„Schüler lesen Zeitung“-Reporterin Hanna Ehnes hat vier sehbehinderte Frauen interviewt, um von ihnen zu erfahren, wie es wirklich ist, blind zu sein.

Frage: Sind Sie sehbehindert geboren oder es erst geworden?

E.: Ich bin mit grauem Star geboren worden und wurde mit sechs Jahren deswegen operiert. Erst in den letzten 20 Jahren bin ich durch einen grünen Star blind geworden.

M.: Es kam vor zehn Jahren von heute auf morgen. Morgens habe ich gemerkt dass ich nur noch mit einem Auge sehen konnte. Ich bin sofort ins Krankenhaus zum Augenarzt gelaufen, der festgestellt hat dass das eine genetisch bedingte Augenkrankheit war und ich auf einem Auge blind war. Ein Jahr später ist das gleiche mit dem anderen Auge passiert.

J.: Es ist einfacher, blind geboren oder es in jungen Jahren zu werden, das ist nicht so ein Schock und die Umgewöhnung ist nicht so groß. Ich wurde kurzsichtig geboren und war dann mit sechs Jahren sehbehindert.

Frage: Sind Sie ganz blind oder können Sie noch etwas erkennen?

J.: Ich sehe knapp zehn Prozent, aber nicht ganz voll, sondern mit Ausfällen. Farben kann ich noch einigermaßen erkennen, aber die dunklen Farben kann ich nicht auseinanderhalten.

E.: Bei mir ist das höchstens 0,5 Prozent und links gar nichts mehr.

Fragen: In welchen Situationen wünschen Sie sich am meisten, sehen zu können?

M.: Beim Lesen kommt man sich vor wie ein Analphabet! Man sieht zwar die Schrift, aber man weiß nicht, was da steht. Man muss bei jeder Straßenbahn und bei jedem Bus fragen.

J.: Und in der Fremde. Wo wir uns auskennen und schon einmal gewesen sind, können wir uns ganz gut zurechtfinden, aber überall wo man fremd ist, merkt man, wie hilflos man ist.

D.: Was uns hilft, etwas zu erkennen, sind starke Kontraste, also schwarz auf weiß und gelb auf schwarz.

Frage: Wie reagieren die Menschen im Allgemeinen auf Sie?

M.: Es fällt immer positiv auf, wenn jemand freundlich ist und einem hilft, aber vorher gab es vielleicht schon viele negative Ereignisse. Viele Leute reagieren unverschämt, fuchteln einem vor den Augen herum oder sind unfreundlich.

Frage: Wo schränkt Sie die Sehbehinderung am meisten ein?

M.: Beim Einkaufen.

E.: Das stimmt! Die Sachen zu finden, was gibt es Neues und so weiter. Ich kaufe automatisch immer das Gleiche.

D.: Ich finde jede Art von Blickkontakt schwierig. Wenn mir jemand geholfen hat und ich treffe ihn kurz danach wieder, erkenne ich ihn nicht, und dann denken die Leute manchmal, man sei undankbar oder unfreundlich.

Frage: Was gibt es für Hilfsmittel im Alltag?

M.: Über eine Blindenbücherei in Münster bekommen wir Hörbücher, es gibt auch Zeitungen auf CD.

M.: Wir haben alle Lesegeräte, die man über die Schrift hält. Es gibt auch Farberkennungsgeräte, sprechende Küchen- und Personenwaagen.

J.: In einigen öffentlichen Einrichtungen gibt es auch Hilfestellungen, wie zum Beispiel die schwarzen Streifen auf dem weißen Boden im Bahnhof. Diese Linien führen uns zu verschiedenen Zielen. Generell wünschen wir uns mehr Aufmerksamkeit von Stadt und Land, dass wir nicht vergessen werden. Manchmal wird etwas getan, das uns den Alltag erleichtert, aber dann passiert lange Zeit wieder nichts.

Hanna Ehnes, Düsseldorf, Marie-Curie-Gymnasium