Eine Pirouette, ein Plié, ein Spagatsprung – alles, was im Ballett so leicht und schön aussieht, das Auge des kritischen Zuschauers begeistert und das Publikum zum Applaudieren bringt, bedeutet täglich harte Arbeit, Disziplin und einen starken Willen. Die erst 14-jährige Düsseldorferin Maria Tolika beweist immer wieder, dass sie es drauf hat. Sie ist die talentierteste Balletttänzerin Deutschlands, aktuelle Siegerin des größten deutschen Ballettwettbewerbs 2009 in München und Goldmedaillengewinnerin des Dance World Cup 2008 in Vancouver, Kanada, und sie besitzt ein nach ihr benanntes Tanzstudio auf der Kölner Straße 26. Sie hat das, wovon viele Mädchen träumen. Sie steht oft vor 1000 Zuschauern in wundervollen bunten Kostümen und faszinierenden Tutus, abstehenden Tüllröcken, auf der Bühne. Ihr Leben besteht aus Reisen, Auftritten – und dem Alltag ihrer Gleichaltrigen mit Schule und Hausaufgaben. Viktoryia hat Maria zum Interview getroffen.
Wie hat deine Ballettkarriere eigentlich angefangen, Maria?
Maria: Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie meine Mutter, die früher selbst Balletttänzerin im Moskauer Theater war, mich mit drei Jahren zu ihren Ballettstunden mit anderen kleinen Kindern mitgeschleppt hat. Damals hatten wir noch kein eigenes Studio. Ich habe mich geweigert mitzumachen, brav die Grundpositionen einzuüben, und saß eigentlich nur spielend in der Ecke und habe ihren Unterricht gestört.
Aha. Wie lange ging das so weiter?
Maria: Etwa ein halbes Jahr. Plötzlich stand ich dann irgendwann auf und sagte: „Mama, ich möchte mitmachen!“
Und dann hat sie das große Potenzial in dir gesehen?
Maria: Genau. Aber ich wollte auch selbst gar nicht mehr aufhören. Das Tanzen auf der Bühne ist meine ganz persönliche Droge geworden.
Deine Mutter ist auch jetzt deine Trainerin.
Maria: Ja, aber es ändert nichts an unserer Beziehung. Man muss es trennen können. Zuhause ist sie meine Mama und im Studio hat sie das Sagen als meine Trainerin und Choreografin. Sie unterstützt mich immer, egal, ob ich Fehler mache oder nicht. Ich habe ihr viel zu verdanken.
Macht sie dir manchmal Druck?
Maria: Inzwischen braucht sie es nicht mehr. Ich bin fast erwachsen und mache mir selbst mehr Druck. Schließlich tue ich es für mich und lebe nicht den Traum meiner Mutter. Wenn bei mir ein neues Tanzelement nicht klappt, mache ich mich manchmal echt verrückt und bleibe so lange im Studio, bis es mir gelingt und bitte sie, es mir beizubringen. Dann fleht sie mich oft an: „Maria, es ist schon so spät, lass uns nach Hause gehen und morgen weitermachen.“
Gibst du dann nach oder bleibst du hartnäckig?
Maria: Nein, ich gebe mich nicht damit zufrieden, bis ich es fehlerfrei kann. Auch wenn wir deswegen die letzte Bahn nach Hause verpassen. Erst dann kann ich beruhigt einschlafen. In dem Moment ist mir egal, dass alle meine Gelenke schmerzen. Würde ich nicht zielstrebig sein, wäre ich nie so weit gekommen.
Bist du immer noch aufgeregt, wenn du auf der Bühne stehst?
Maria: Man muss aufgeregt sein. Immer. Sonst bringt man keine Gefühle und Emotionen rüber. Ich liebe es, das Adrenalin in meinen Adern zu spüren. Ich genieße jede Sekunde auf der Bühne, es gibt kaum ein schöneres Gefühl für mich.
Gab es Momente, in denen dir alles „über den Kopf gewachsen“ ist und du alles hinschmeißen wolltest?
Maria: Klar, jeder hat seine Höhen und Tiefen. Es ist wie eine Achterbahn. Manchmal bin ich schon sehr frustriert, wenn ich etwas nicht schaffe und mache mir dadurch selber Stress. Aber ich gebe nie auf.
Tägliches Training und dazu noch der Schulstress einer Gymnasiastin. Ist das überhaupt vereinbar?
Maria: Mit guter Organisation klappt das. Mein Leben ist verplant, ich komme jeden Tag spät, oft erst nach 21 Uhr vom Training nach Hause. Dann warten noch Berge von Hausaufgaben auf mich. (lacht) Bei diesem Gedanken würde ich am liebsten gar nicht erst nach Hause kommen und im Studio übernachten. Aber eine gute Ausbildung ist mir nicht weniger wichtig. Ich möchte auf jeden Fall Abitur machen, denn man weiß ja nie… .
Das klingt stressig… Bleibt da überhaupt noch Zeit für Luxus wie Freunde?
Maria: Ja, am Wochenende kann ich es mir mal erlauben, mit Freunden Shoppen oder ins Kino zu gehen und meinen anderen Hobbys wie Zeichnen und Kochen nachzugehen – falls gerade keine Aufführung ansteht. Denn wenn das der Fall ist, trainiere ich doppelt so viel.
Ist das deine goldene Regel vor wichtigen Auftritten?
Maria: Eine davon.
Es gibt noch mehr?
Maria: Außerdem versuche ich vor Auftritten viel zu trinken und keine Schokolade zu essen. Das Zweite fällt oft schwer.
Deine Klassenkameraden sind bestimmt neidisch auf deinen Erfolg, oder?
Maria: (lacht) Vielleicht kochen sie im tiefen Inneren vor Neid, aber zumindest zeigen sie es nicht. Und für meine Freunde ist es ganz normal. Jeder Mensch ist und kann etwas besonderes.
Außer Ballett tanzt du auch Hip-Hop. Was wäre, wenn du dich zwischen modernen Tanzstilen und Ballett entscheiden müsstest?
Maria: Ich würde ich mich für das zeitlose klassische Ballett entscheiden. Es passt besser zu mir und macht mir auch mehr Spaß. Aber eigentlich kann man es nicht vergleichen, weil diese Tanzstile ganz unterschiedlich sind, andere Gefühle wiedergeben und man bei beiden zu ganz anderer Musik tanzt. Aber ich finde es wichtig, Verschiedenes auszuprobieren und sich nicht nur auf eine Sache einzuschränken.
Was ist dein größter Wunsch für die Zukunft?
Maria: Dass Tanzen mein Beruf wird und dass ich immer die Zuschauer begeistere.
Das Interview führte Viktoryia Zubarava.
INFO
Zur Person
Maria Tolika
Geboren: 1995 in Düsseldorf, Deutschland
Nationalität: griechisch /russisch
Ballettschule: Maria, Kölner Straβe 26
Erfolge:
1.Platz Internationaler Ballettwettbewerb (2005)
1.Platz Ballettwettbewerb in Freiburg (2007)
1.Platz Dance World Cup in Vancouver, Kanada (2008)
1.Platzt deutscher Ballettwettbewerb in München (2009)
Viktoryia Zubarava, Düsseldorf, International School Of Düsseldorf