Von Victoria Riess, Klasse 9, International School of Düsseldorf
Das schwitzende Pferd und die ermüdete Reiterin galoppieren in der Reithalle und üben Lektionen der schweren Klasse. Das ist mittlerweile das dritte Pferd, das sie heute Nachmittag reitet. Nach dem Versorgen der Pferde warten noch die Schulaufgaben auf dem Schreibtisch. Bis spät in die Nacht wird noch an den Hausaufgaben für den nächsten Tag gearbeitet.
Dies entspricht nicht dem gängigen Bild der Gesellschaft von der jungen Generation. „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.” Heutzutage haben viele das Bild, dass Teenager keine Disziplin haben, lustlos sind und nur zu Hause mit ihrem Smartphone spielen. Doch diese Kritik an der jungen Genration wurde schon vor ca. 2000 Jahren von Sokrates (470-399 v.Chr.) öffentlich geäußert. Die Vorstellung von schwierigen Jugendlichen, die ungehorsam und respektlos sind, gibt es schon immer. Doch entspricht dies der Realität?
„Hallo!“, „Bonjour!“, „Olá!“, „Konnichiwa!“, „Good morning!“ Dies sind nur ein paar von vielen Begrüßungen, die man morgens an der International School in Düsseldorf zum Schulbeginn im Flur hören kann. Genauso divers geht es in der 9. Klasse zu, in der unter anderem drei erfolgreiche Reiterinnen sind. Nach dem Unterricht geht es für diese nicht auf die Couch zum „daddeln“, sondern direkt zum Stall, wo bereits mehrere Pferde auf den Beritt warten.
Ein Interview der drei Schülerinnen zeigt, dass es durchaus motivierte, ehrgeizige und engagierte Jugendliche gibt. Alle drei haben es geschafft, in den deutschen bzw. polnischen Bundeskader aufgenommen zu werden. Möglich ist dies nur durch intensives tägliches Training und regelmäßige Turnierteilnahme. Egal ob diese unter großer Hitze oder in eisiger Kälte stattfinden. Angesteckt von der Begeisterung ihrer Eltern haben sie als Kinder mit dem Reiten begonnen und sich später selbst dazu entschieden, das Reiten als Leistungssport zu betreiben.
Auf die Frage, wie sie sowohl die Schule als auch den Reitsport zeitlich bewältigen können und ob ihre schulischen Leistungen darunter leiden, antworten sie, dass meistens nur spät am Abend noch Zeit bleibe, um Hausaufgaben zu machen und sich auf Klassenarbeiten vorzubereiten. Trotzdem sei es ihnen wichtig, ihre Leistungen in der Schule nicht zu vernachlässigen. Aus welcher Motivation heraus betreiben die Mädchen schon in diesem Alter den Reitsport auf höchstem Niveau? „Mein Ziel ist es, den Spaß bei meinem Hobby nicht zu verlieren, aber trotzdem zielstrebig weiter zu reiten.“, erklärt Lilly (15). Alessa (15) meint: „Früher war es nur ein Hobby, jetzt ist es zu einem Leistungssport geworden.” Solche Antworten zeigen, dass es beim Reitsport nicht nur um Siege geht.
Beide reizt der sportliche Erfolg. Sie genießen es zu sehen, wie ihre Pferde sich weiterentwickeln. Die Turnieratmosphäre ist immer wieder ein Erlebnis, auf welches sie nicht verzichten wollen. Die Pferde sind ihre Partner, die versorgt, gepflegt und nicht nur muskulär sondern auch mental aufgebaut werden müssen. Nur ein Sportpferd, das sich wohlfühlt, ist bereit, seine:n Reiter:in zu unterstützen. Ohne das Engagement des Pferdes ist kein Erfolg möglich.
Der Nervenkitzel sei bei jedem Turnier vorhanden. Bereits beim Einreiten in das Prüfungsviereck fühlen sie den steigenden Adrenalinspiegel, die Anspannung wächst, äußerste Konzentration auf ihr Pferd sei das Wichtigste. Sogar den Pferden merke man kurz vor der Prüfung die Aufmerksamkeit an. Doch der Turniererfolg sei die harte Arbeit wert – da sind sich alle drei einig.
Dazu, dass Erfolg nur mit Disziplin und hartem Training erreicht werden kann, sagt Veronica (15): „Das Ziel eines Dressurreiters ist es, präzise, flüssig und ausdrucksstark eine Prüfung sicherzustellen. Jedoch geht das nur mit einer ausgelassenen Vorbereitung und gemeinsamer Arbeit untereinander mit Training.”
Tatsache ist, dass die Bundesrepublik Deutschland als vergleichsweise kleine Nation bei internationalen Reitturnieren immer wieder die vordersten Plätze belegt. Diese Erfolge sind letztendlich Kindern und Jugendlichen zu verdanken, die bereit sind, in zwei Welten zu leben, um mit äußerster Disziplin Höchstleistungen im Reitsport zu erbringen. Dabei verlieren sie jedoch ihre schulischen Leistungen nicht aus den Augen und können häufig erstaunlich gute Abschlusszeugnisse vorweisen. Bei vielen anderen Sportarten gibt es ähnliche Geschichten über Teenager zu erzählen.
Selbstverständlich gibt es in der Gesellschaft auch Jugendliche, die als „antriebslose Handy-Daddler“ bezeichnet werden können. Dieser Artikel soll jedoch zeigen, dass sich nur ein geringer Teil der Jungendgeneration so verhält. Ein Vorschlag an alle Erwachsenen wäre es, sich näher mit der heutigen Teenager-Generation zu beschäftigen, bevor man sich ein Urteil bildet.