„Einfach mal den Mund auf machen”, so lautet die Devise des Beschwerdechors. Ob jung, alt, schöne Stimme, weniger schöne Stimme, alle Menschen dürfen mitmachen, die sich etwas von ihrem „belasteten Herzen” singen wollen. Die Frage ist, was sind das für Menschen? Wer will die Probleme des Alltags ausdrücken, indem er vor öffentlichem Publikum über sie singt?
Von Birmingham bis Tokio, von Köln bis ins brasilianische Kaff Teutonia: Immer öfter gehen Bürger auf die Straßen und Marktplätze und tragen ihre „first world problems“ im Beschwerdechor vor. Es muss nicht nur auf den Straßen sein, das orchestrierte Gemecker findet auch in Theatern und Festsälen statt, das Geschrei der Wutbürger. Rund um den Globus beschweren sich aufgebrachte Menschen.
Dieses Phänomen hat seine Wurzeln in Finnland, wo „Beschwerdechor“ ein fester und oft benutzter Ausdruck ist, um die Unpässlichkeiten vieler Leute gleichzeitig zum Ausdruck zu bringen. Den Startschuss zum weltumspannenden Gemotze hat das deutsch-finnische Künstlerehepaar Tellervo Kalleinen und Oliver Kalleinen gegeben, das bemerkt hat, wie viel Zeit Bürger damit verbringen, sich zu beschweren. In Helsinki wurden die ersten Beschwerden auf Kunstfestivals und Museen vorgetragen. Von da aus verbreitete sich der neue Trend, und „brach sich Bahn“ in Städten wie London, Wien und Berlin. Der nach eigenen Angaben größte Meckerchor der Welt mit rund 100 Sängern, hat sich seit 2008 in Köln ergänzt. Was dies über Köln aussagt, kann jeder für sich selbst entscheiden.
Für den Großteil der Teilnehmer ist das Singen nur eine Art Nebenbeschäftigung mit angenehm entspannendem Effekt. Was sie mit dem lautstarken Erheben ihrer Stimmen eigentlich bezwecken mögen, ist jedoch, dass ihre Klage die Öffentlichkeit erreicht; ein nicht gar so stummer Schrei nach Liebe. Die Laientexte sind von alltäglichen Erschwernissen inspiriert und geformt. Ob unerzogene Hunde den Bürgern den Tag versalzen oder ausverkaufte Lieblings-Konsumgüter, überfüllte Mülltonnen, Parkplatz Probleme oder zu kurze Behördenöffnungszeiten den Schalter bei den Pöblern umlegen, nichts scheint zu gering, es dem Chorleiter als Beute vor die Füße zu werfen. Damit daraus Musik wird. Wenn diese Chorsänger ihre neuste Kreation viel zu selbstbewusst der Öffentlichkeit publizieren, möchte dem einen oder anderen Zuhörer der Gedanke kommen sich irgendwie von diesem „Ärgernis“ zu erleichtern. Was läge da näher, als dem lokalen Beschwerdechor beizutreten?
Maxim Rotermund, 9.1, International School Of Düsseldorf