Hinter jedem Angestellten steht mindestens ein Mensch
Von Theo Lange, Klasse 8b, Humboldt-Gymnasium
Leise hört man Schritte durch die leeren Gänge hallen und ein schwacher Geruch vergangener Mahlzeiten weht aus der Cafeteria der Hongkong Shanghai Banking Corporation bis hinauf zum einzig erleuchteten Büro in der obersten Etage. Versprechen einer zukünftigen Mahlzeit, das nicht mehr hier auf der Yorkstrasse in Das Unternehmen ist am 9. November 2020 in ein besseres, weil wirtschaftlicheres Gebäude nach Oberkassel umgezogen.
Das neue Gebäude wird Arbeitsplätze für 1.800 Angestellte bieten und alle Niederlassungen und Tochterfirmen des Standorts Düsseldorf vereinen. Die neue Arbeitsplatzgetaltung sieht dort keinen festen Arbeitsplatz mehr vor, sondern funktioniert mit „Desksharing” als ein flexibles Office. Das bedeutet, dass die Angestellten keinen eigenen Arbeitsplatz mehr besitzen, sondern je nach Tagesbelegung schauen, wo Platz ist. Mit dieser Vorstellung hat Rüdiger Lange, der hier in Raum 304 seine letzten persönlichen Sachen zusammenpackt, schon seine Schwierigkeiten. „Es ist ja nicht so, dass mein Arbeitsplatz mit privaten Dingen zugestellt war, aber so ganz clean und ohne persönliche Note, ein Platz, der jederzeit von jemand anderem übernommen werden kann, ohne dass man eine Spur hinterlassen hat… Das passt gar nicht zum bisherigen Geist der Firma.”
Auch fragt er sich, wie 1.800 Arbeitsplätze für insgesamt 3.000 Angestellte ausreichen sollen. „Die Finanzbranche stöhnt, in der Bankenwelt sorgen die Worte Null- und Negativzins für schlaflose Nächte. Diskussionen über Personalabbau und Filialschließungen sind Alltag, Corona war auch nicht gerade hilfreich, da fragt man sich schon, ob es für einen an diesem Standort weitergeht”, sagt er zögernd. Seit 10 Jahren arbeitet der Portfoliomanager in der Tochterfirma Internationale Kapital Gesellschaft und ist in Düsseldorf auch privat fest verankert.
„Bisher konnte ich mit meinem Anwohnerparkausweis vor der Bank parken und morgens Felix, das jüngste meiner vier Kinder, in den Kindergarten bringen. Zum Mittagessen kamen die anderen in den Ferien sehr oft in die Kantine, am liebsten, wenn es Currywurst gab.” Wenn die berufliche Zukunft nicht weiter in Düsseldorf liegt und er eventuell zukünftig täglich den ganzen Weg in die Finanzmetropole Frankfurt hin- und zurückfahren muss – wie schon einmal zu Zeiten nach der Finanzkrise 2008 – wird sich nicht nur für ihn vieles ändern. „Ich kann nicht mehr wie eine fleißige Biene täglich nach Nektar suchen”, berichtet er, „meine Lebensqualität besteht mittlerweile aus sehr viel mehr als meinem Job.” Trotzdem wird er sich damit zurechtfinden müssen. Auch seine Familie ist davon betroffen. Manchmal meint der Bankkaufmann, jetzt schon die Klagen von ihnen zu hören. Seine Frau Heike ist von dieser Situation alles andere als begeistert, aber ihnen bleibt keine Wahl als abzuwarten und zu hoffen, dass der Hauptverdiener der Familie nicht zum modernen Nomadentum gezwungen wird.
Schon jetzt zählt die Hongkong Shanghai Banking Corporation Frankfurt zu einem der größten Arbeitgeber mit den meisten Pendlern. „Vielleicht hat ja auch die derzeitige Pandemie gezeigt, dass man im Homeoffice gut arbeiten kann, ohne die ganze Woche vor Ort zu sein. So ließe sich unser Familienleben weiterleben wie bisher“, hofft Rüdiger Lange.