Von Lotta Hübschen, Klasse 8e, Humboldt-Gymnasium
Alles ist voller Menschen, laute Rufe hallen durch die Straßen. Ich bin heute in Minsk, der Hauptstadt von Belarus, bei einem vergleichsweise kleinen Protest mit ca. 3000 Teilnehmer*innen. Sie sind hier, um gegen den amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko zu protestieren, der schon seit 1994 an der Macht ist. Außerdem kritisieren sie die umstrittene Präsidentschaftswahl im August, die Lukaschenko angeblich mit über 80 Prozent der Stimmen gewann. Doch unabhängige Umfragen aus dem Ausland sprachen von ganz anderen Zahlen. Demnach soll die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja 71 Prozent der Stimmen erhalten haben und der Präsident nur zehn. Eigentlich hätte Tichanowskajas Ehemann bei der Wahl kandidieren sollen. Weil ihm das aber verwehrt und er später auch festgenommen wurde, war die zweifache Mutter selbst angetreten. Sie wurde von zwei anderen Frauen unterstützt und gemeinsam verkörperten sie die große Hoffnung der Opposition. Tichanowskaja erkannte das offizielle Wahlergebnis nicht an und forderte Neuwahlen, die Lukaschenko jedoch ablehnte. Auch die EU und verschiedene Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Wahl, die EU reagierte mit Sanktionen gegen Belarus. Seit August fanden verstärkt Proteste statt, an denen bis zu 10.000 Menschen teilnahmen und die stets von vielen Festnahmen begleitet wurden.
Auch heute versammeln sich viele Menschen, um lautstark auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Sie schwenken die weiß-rot-weiße Flagge der Opposition und rufen lauthals „Es reicht!“ oder „So wollen wir nicht leben!“ Langsam ziehen wir durch die Straßen von Minsk. Es sind viele Polizist*innen im Einsatz und auch Festnahmen finden statt, obwohl die Demonstration sehr friedlich verläuft. Jemand hält eine Rede über die Freiheit, die Lukaschenko den Belaruss*innen seiner Meinung nach nimmt, und die Menge jubelt. Ich frage einige der Demonstrant*innen, warum sie hier sind. Ein Mann mittleren Alters antwortet: „Wir brauchen Veränderungen in diesem Land. Es gibt keinen anderen Ausweg.“ Eine junge Frau fügt hinzu: „Wir wollen frei sein, damit man uns arbeiten und studieren lässt.“ Wie man in den vergangenen Wochen und Monaten sehen konnte, denken viele der Belaruss*innen ebenso und sie wollen nicht aufgeben, bis Lukaschenko das Amt des Präsidenten niederlegt.
Nicht ohne Grund wird er oft „der letzte Diktator Europas“ genannt. Lukaschenko herrscht mit Gewalt und Unterdrückung und schwächt sein Land wirtschaftlich, indem er es immer mehr von Russland abhängig macht. Um es also mit Tichanowskajas Worten zu sagen: „So kann es nicht weitergehen. Wir müssen weiterkämpfen, um endlich Gerechtigkeit zu erlangen.“