Das Abitur nach zwölf Jahren (auch achtjähriges Gymnasium/G8 genannt) ist die in Deutschland von 13 auf zwölf Jahre verkürzte Schulzeit bis zum Abitur. Die Schulen können selbst entscheiden, wie sie die 265 Stunden des wegfallenden Schuljahres auf die restlichen Jahrgangsstufen verteilen, damit die allgemeine Hochschulreife erreicht wird. So kann es dazu kommen, dass Achtklässler 36-Stunden-Wochen haben. Dies ist vergleichbar mit der Arbeitszeit mancher Eltern. Trotz des Wegfalls eines Unterrichtsjahres werden weiterhin alle Inhalte der bisher dreizehn Schuljahre vermittelt.
Noch höhere Stundenzahlen entstehen, wenn Schüler die zusätzlichen Kursangebote der Schulen wahrnehmen. Heute haben Schüler des achtstufigen Gymnasiums durchschnittlich 33 Stunden pro Woche. Das bedeutet ein- bis dreimal in der Woche Nachmittagsunterricht, dazu an manchen Schulen Samstagsunterricht. Auslandsaufenthalte und Betriebspraktiken sind so kaum möglich.
Im Unterricht bekommen die Schüler ihre Themen. Zu Hause muss das eigentliche Verstehen und Vertiefen erfolgen – mit Hausaufgaben und zusätzlicher Arbeit aus Eigeninitiative. Wer aber kein Elternhaus hat, das dafür die Voraussetzungen mitbringt, hat Pech. Denn oft müssen Eltern mit ihren Kindern für die nächste Arbeit lernen.
Der Leistungsdruck kann zu Spannungen führen. Kinder und Eltern sind oft überlastet. Freizeit wird zum Luxus. Neue Freundschaften können nur schwer entstehen, alte gehen möglicherweise kaputt.
Weitere Auswirkungen: Viele Kinder, die von einem Bundesland, in dem noch kein G8 eingeführt wurde, in ein Bundesland umziehen, in dem G8 eingeführt ist, müssen oft ein Jahr wiederholen, weil der Stoff noch nicht durchgenommen wurde. 2011 bis 2013 wird es in den großen Ländern doppelte Abiturjahrgänge geben mit entsprechenden Auswirkungen auf die Universitäten und Ausbildungsplätze.
Die Engländer haben 13 Jahre bis zum Abi, die Niederländer teilweise sogar 14, und bei den Franzosen, die die Hochschulreife offiziell nach zwölf Jahren erlangen, wiederholen 70 Prozent der Schüler ein Jahr. Außerdem gibt es in Deutschland weniger Ganztagsschulen mit Mensaversorgung und Förderangeboten. Eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium wird vielfach von Eltern, Schülern und Lehrern, die unter G8 leiden, gefordert.
Nibras Staschik, Düsseldorf, Humboldt-Gymnasium