Tausende jubelnde Fans warten gespannt in der Arena. Ein riesiges Publikum in Vorfreude auf das, was jetzt kommt. Alle wollen sie nur eines: „Die Ärzte“ hören!
Das fünfte Konzert der neuen Tournee der Ärzte, einer der erfolgreichsten Berliner-Punkbands, ist am 25. Mai in der Oberhausener König-Pilsener-Arena und war schon ausverkauft, bevor das neue Album erschienen ist. Kein Wunder, dass sich deshalb an diesem Tag in der vollbesetzten Arena mit einem Fassungsvermögen von bis zu 12.000 Personen eine sehr große Menge tummelt: in freudigem Jubel und die meisten natürlich mit dem Band-Logo gewappnet.
Der Albumname „auch“ ist mal wieder sehr frei interpretierbar. Wie so viele Texte von den Ärzten. „Das ist definitiv die Metabotschaft: Hab deine eigene Meinung. Denk selber, und wenn du zu anderen Schlüssen kommst als wir, ist das doch völlig in Ordnung. Unsere Schlüsse sind ja gar nicht so wichtig. Wichtig ist, dass du anfängst zu denken.“ So begründete es der Sänger Farin Urlaub in einem Interview.
Der Tourname „Das Ende ist noch nicht vorbei“ hat sehr viele treue Fans aufatmen lassen und ist auch der Grund dafür, warum sich einige besonders auf die Konzerte in diesem Jahr freuen. Die Ärzte, das sind nach wie vor Bela B. Felsenheimer, Farin Urlaub und Rodrigo Gonzalez. Nachdem sie nach ihrem Album „Jazz ist anders“ einige Jahre nicht viel von sich hören ließen, begrüßen sie ihre Fangemeinde nun mit 16 neuen und natürlich selbstironischen Songs wieder.
Die Spannung im Stadion bauen sie wieder einmal perfekt auf; nach den Umbauarbeiten auf der Bühne, die noch einige Minuten zuvor der Hip-Hop-Formation K.I.Z. zur Verfügung stand, blicken die Zuschauer nun auf ein schwarzes Tuch, das von der Decke hängt. Minutenlang hört man nichts weiter als Fangesänge, wie beispielsweise „Wir woll’n die Ärzte sehn, wir woll‘n die Ärzte sehn“. Dann plötzlich setzen Instrumente ein, das Tuch fällt, und zum Vorschein kommt die selbst ernannte „Beste Band der Welt“.
Mit ihrem Eröffnungssong „Ist das noch Punkrock“ bringen sie das Publikum von Null auf 100. Es wird gerockt, mitgesungen und sogar schon ordentlich getanzt, beziehungsweise im Innenraum der Arena „gepogt“ – das ist eine Art spaßiger Schubs-Tanz. Die aufgedrehten Zuschauer lassen sich aber dennoch auf die Romantik im Refrain ein. Weiter geht es mit Album-Hits wie „Bettmagnet“, in dem Bela B. die Anziehungskraft eines Fernsehers besingt, und mit einem „Waldspaziergang mit Folgen“, einem von Farin Urlaub beigesteuerten Lied.
Auf großen Bildschirmen über der Bühne verfolgt die Menge unter anderem wie die drei Jungs die Bühne rocken. Für den nötigen Adrenalin-Kick sorgen nicht nur Lieder wie „Hurra“ von älteren Alben, sondern auch die simplen, aber doch packenden Lichteffekte, die das Techniker-Team auf die Beine gestellt hat.
Und die Ärzte haben immer noch Spaß auf der Bühne. Mit Selbstironie unterhalten sie sich und das Publikum mit einer Reihe von Scherzen. „Das ist tatsächlich ein Stilmittel von den Ärzten. Seit unserer ersten Single ist das etwas, das die Ärzte immer machen“, erklärte der Drummer Bela B einmal in einem Interview. „Auch auf der Bühne: Wir ironisieren uns permanent selbst. Wir müssen das – das ist wie ein Zwang – ständig tun.“
Auch Rodrigo Gonzalez hat dazu eine witzige Meinung: „Das ist ein bisschen auch Mut zur Peinlichkeit. Ich meine, wir kümmern uns um den Rock – das ist total eklig. Jede andere Band würdest du anspucken dafür, für diesen Spruch.“
Diesmal hat der Bassist auch mehr Songs zum Album beigetragen. Farin Urlaub ist davon begeistert: „Für mich ist die große Offenbarung des Albums Rod, der plötzlich sein Coming-Out als Textautor hat. Dass er jetzt selber fertige Songs anbringt, nach knapp 20 Jahren – das hat mich extrem gefreut, und das bringt das Album auch total weiter, finde ich“, äußerte er in einem Zeitungsinterview.
Und genau deshalb fehlen die neuen Songs „Tamagotchi“ und „Sohn der Leere“ auch nicht auf dem Konzert. In „Tamagotchi“ erzählt Rod, wie sehr er diesem nachtrauert nach ihrer gemeinsamen Zeit. Ein großes Nichts, dessen Interpretation sich nicht genau definieren lässt, ist wiederum in „Sohn der Leere“ vorzufinden. Dies sei sein Lieblingssong vom ganzen Album, meint Bandkollege Farin Urlaub.
Nach stundenlangem Genuss verschiedenster Songs der Ärzte müssen die Fans dreimal um Zugaben bitten, nachdem die drei Musiker bereits das dritte Mal die Bühne verlassen haben, um das Publikum auf Trab zu halten. Als Antwort auf die Bitten der Zuschauer, sie mögen Zugabe geben, folgen Klassiker wie „Westerland“ und „Zu spät“, bei denen natürlich lautstark mitgesungen wird. Spät in der Nacht verabschieden sich die Drei dann mit einer traditionellen Verbeugung von dem Publikum. Nach diesem Konzert folgen 33 weitere. Ob diese die letzte Tournee ist, ist noch ungewiss, aber um sich noch nicht festzulegen, ist das Ende eben noch nicht vorbei.
Lina Stevens, Leverkusen, Marienschule