Es passiert immer öfter. Die Zahl der Cyber-Mobbing-Opfer in Deutschland steigt weiter an. Mehr als 25 Prozent aller User eines sozialen Netzwerks berichten von Beleidigungen und Bedrohungen.
Die Grenzen sind überschritten: Die Hemmschwelle, im Internet jemanden auszulachen oder ihn zu beleidigen, ist gering. In der Anonymität des World Wide Web müssen die Täter ihren Opfern nicht in die Augen sehen, und eine Rückmeldung für das eigene Verhalten bleibt zunächst aus. Außerdem spürt der Täter im Internet nicht die Betroffenheit und Verletzlichkeit des Opfers. Dieser Effekt wird auch als „Online Disinhibition Effect“ (dt. Online-Enthemmungseffekt) bezeichnet: Es fällt Menschen schwerer, ihre Impulse zu zügeln, wenn soziale Kontrolle wegfällt oder nicht spürbar ist.
Dr. Joachim Walter, Leiter der Kinder-Jugendpsychatrie im Wilhelmsstift Hamburg, sagt: „Es spielt eine Rolle, ob Jugendliche gelernt haben, mit Konflikten umzugehen, sich aktiv zu wehren, und ob sie einen Freundeskreis um sich haben, der sie verteidigen kann. Häufig finden wir es auch, dass überangepasste Kinder, die häufig auch wenig Konflikterfahrung haben, leichter zum Ziel des Mobbings werden. Solche, die nichts Eigenes bieten können und sehr an Erwachsenen orientiert sind.”
Im Wilhelmsstift Hamburg sind die meisten Patienten zwischen elf und 16 Jahre alt. Darunter sind Täter sowie Opfer des Cyber-Mobbing. Die Opfer tragen oft schweren Ballast mit sich herum, viele erleiden sogar ein Trauma. Die Behandlung bei einem solchen Patienten kann bis zu drei Monate dauern. Und dennoch können Langzeitschäden bleiben: Scham, so dass das Selbstwertgefühl deutlich beschädigt ist.
Die Gründe für Cyber-Mobbing sind meist die selben: interkulturelle Konflikte, das Bedürfnis, Stärke zu zeigen, Angst, selber ein Opfer zu werden, oder der Wunsch nach Anerkennung anderer. Außerdem haben die Täter meist auch intime Gründe, etwa Liebe, Hass oder Neid.
Wer Opfer von Cyber-Mobbing wird, kann zunächst nur hilflos reagieren. Als Außenseiter ist auch von der Internet-Community keine Hilfe zu erwarten. Allerdings können Erwachsene oder Erziehungsberechtigte eingreifen, indem sie die Polizei informieren. Diese fasst den Täter aber auch nicht immer, da jeder im Internet seine Anonymität wahrt. Und so werden immer mehr Jugendliche zum Täter oder zum Opfer.
Kathrin Huennekes, Viersen, Erasmus-V.-Rotterdam-Gymnasium