Noch immer liegen viele Blindgänger in der Region. So werden sie unschädlich gemacht.
Von Simon Breuer, 8b, Franz-Meyers-Gymnasium Mönchengladbach
Es ist Montag, 19.00 Uhr. Anders als sonst ist der Gladbacher Hauptbahnhof menschenleer. Die Polizei evakuiert das Gebiet rund um den Bahnhof. Doch was ist der Grund? Nach Auswertung alter Luftbilder und einer gezielten Suche wurde Tage zuvor in einer nahe gelegenen Baugrube eine alte Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg gefunden, die nach dem Aufprall nicht explodierte und nun entschärft werden soll. Dazu müssen 12.000 Menschen im Umkreis von 300 Metern um den Fundort die Häuser verlassen.
Es ist 20.00 Uhr, die Evakuierung ist abgeschlossen. Nun können endlich die Experten vom Kampfmittelräumdienst mit ihrer lebensgefährlichen Arbeit beginnen. Nur Dirk Putzer, ein Entschärfer mit 25 Jahren Berufserfahrung, und ein jüngerer Kollege begeben sich in die hell erleuchtete Baugrube. Die Bombe befindet sich in einer ungünstigen Lage, senkrecht im Boden in 4,50 Meter Tiefe, unter dem Fundament des benachbarten Hauses beziehungsweise genau auf der Grundstücksgrenze. Die Aufschrift auf der Bombe (500 LB/AN M 64) ist noch gut lesbar und lässt Dirk Putzer schnell erkennen, dass es sich um eine 250 Kilogramm schwere amerikanische Fliegerbombe mit Heckzünder handelt, in welcher sich 125 Kilogramm Sprengstoff befinden. Eine direkte Sicht auf den Zünder ist in dieser Lage nicht möglich. Daher muss die Bombe erst einmal vorsichtig auf die Seite verlagert werden. Dirk Putzer erklärte dazu später: „Eine Verlagerung einer bezünderten Bombe sollte man auch nur in Ausnahmefällen vornehmen – so wie hier in Mönchengladbach.“
Auch mehr als 73 Jahren nach Ende des zweiten Weltkrieges stellen solche Blindgänger eine tödliche Gefahr dar. „Da wir aber gut ausgebildet wurden, ist die Gefahr gering, aber dennoch präsent. Wir haben Respekt, sind aber nicht nervös,“ sagt Dirk Putzer. Die Bombe liegt jetzt auf der Seite. Nun kann der Zünder begutachtet werden. Es handelt sich um einen Aufprallzünder. Es gibt auch Bomben mit Langzeitzünder, deren Entschärfung unmöglich ist.
Dirk Putzer und sein Kollege haben Glück, der Aufprallzünder befindet sich in einem guten Zustand. Wäre er beschädigt oder verrostet, müsste die Bombe ebenso wie solche mit Langzeitzünder kontrolliert vor Ort gesprengt werden. Mit einer einfachen Rohrzange kann Dirk Putzer den Zünder entfernen und den Blindgänger unschädlich machen.
Nach 35 Minuten ist die Arbeit getan, alle atmen auf. Es wird Entwarnung gegeben. Die Menschen kehren in die Häuser zurück. Der Bahnhof und sein Vorplatz füllen sich langsam wieder. Zum Abtransport wird die jetzt harmlose Bombe in ein Fahrzeug des Kampfmittelräumdienstes geladen.
Doch nicht jede Entschärfung läuft so reibungslos wie diese. Im Juni 2010 kamen in Göttingen drei Entschärfer durch eine Bombe mit Langzeitzünder ums Leben. Im zweiten Weltkrieg wurden circa 700.000 Tonnen Bomben auf Städte in Nordrhein-Westfalen abgeworfen. Dies entspricht fast der Hälfte aller auf Deutschland abgeworfenen Bomben. Man geht davon aus, dass zwischen 10 bis 30 Prozent dieser Bomben nicht detoniert sind. 2017 wurden in Nordrhein-Westfalen 217 Bomben entschärft, die je mindestens 50 Kilogramm wogen. Es ist davon auszugehen, dass Dirk Putzer und seine Kollegen noch viele viele Jahre mit Bomben zu tun haben werden.