„Freizeit – was ist das?“ Dieser ironische Kommentar eines Schülers der Marienschule weist auf ein großes Problem vieler Jugendlichen hin. „Nie habe ich genug Freizeit, um mal etwas zu unternehmen, was ein bisschen mehr Zeit in Anspruch nimmt. Naja, in den Ferien vielleicht, aber während der Woche?- Fehlanzeige!“
Phillip Meyer* hat Grund zum Meckern, denn man muss sich wirklich die Frage stellen, ob den Schülern durch Schule nicht zu viel Freizeit genommen wird. Natürlich ist Schule wichtig und sinnvoll, doch müssen zu den sechs bis neun Schulstunden täglich denn auch noch so umfangreiche Hausaufgaben aufgegeben werden? Zumindest die Schüler sind sich bei der Antwort dieser Frage einig. – „Nein“, lautet die klare Antwort. Peter Verres*, der die achte Klasse des Marianums besucht, beteuert, er habe nur ungefähr 2 Stunden Freizeit am Tag, wenn er die Zeit für Hausaufgaben und Lernen abziehe. „Es sind die Massen an Hausaufgaben, die die Lehrer zum Teil aufgeben. Ich würde eigentlich gerne viel mehr Sport wie Fußball und Judo treiben und hätte auch gerne mehr Zeit, um mit Freunden abzuhängen. Aber…“ Dabei ist es doch wichtig, dass auch Schüler mal ihre freie Zeit haben, in der sie machen können, was sie wollen.
Bei den jüngeren Schülern in der Grundschule ist dies kein Problem, denn die Kinder haben noch ungefähr fünf bis sechs Stunden am Tag zur freien Verfügung. Auf der weiterführenden Schule jedoch wird die Freizeit dann ganz schnell und plötzlich verkürzt, so dass viele der Fünftklässler sich erst einmal damit abfinden müssen, dass sie nun nicht mehr so viel freie Zeit haben und vielleicht sogar ein paar Hobbys für die Schule aufgeben müssen.
Dies liegt vor allem an der neuen Regelung, dass die Schulzeit der Gymnasiasten in Nordrhein Westfalen auf acht Jahre verkürzt wurde. Die Schüler bekommen deutlich zu spüren, dass der Lernstoff von eigentlich neun Jahren nun schneller in ihre Köpfe muss. „Natürlich ist es super, dass wir ein Jahr weniger zur Schule müssen. Doch wir haben ja schon jetzt in der achten Klasse mehr Stunden als manche zehnten Klassen und auch mehr Hausaufgaben. Ich finde, das ist zum Teil wirklich übertrieben!“ gibt Verres zu bedenken.
Selbstverständlich gibt es auch zwischen den Schulen Unterschiede, was die pflichtenfreie Zeit angeht. Durch weitere Umfragen zu diesem Thema ist festzustellen, dass die meisten Jugendlichen, die ein Gymnasium besuchen, bei der Kategorie Freizeit weniger zur Verfügung stehende freie Stunden bestätigt haben als Real- und Hauptschüler. Dies liegt wahrscheinlich an der Schulzeitverkürzung an Gymnasien und auch an dem Schwierigkeitsgrad der Schulen, also am Umfang des Lernaufwandes.
Und was machen die meisten Schüler, wenn sie dann einmal Freizeit haben? Diese Frage ist nach einer Umfrage an der Marienschule schnell geklärt. Etwa 80 von 100 Schülern verbringen täglich ungefähr ein bis zwei Stunden am Computer. Bei der knappen zur Verfügung stehenden Zeit ist dies ziemlich viel, denn die meisten Jugendlichen im Alter von ungefähr 15 bis 17 Jahren an der Marienschule Opladen haben nicht mehr als zwei Stunden am Tag, die sie so gestalten können, wie sie wollen.
Elektronische Medien erleichtern unser Leben zwar deutlich, doch da der Spaßfaktor mit solchen „Geräten“ deutlich höher sei, interessieren sich viele nur noch für Computer, Playstation und Fernseher, was häufig schon einer Sucht gleich! „Ich bin garantiert nicht süchtig, doch wenn ich nach Hause komme, gehe ich erst einmal an meinen PC. Nach der Schule bin ich meist so erschöpft, dass ich nicht wirklich noch Energie für was anderes habe“, stellt Phillip Meyer, Schüler der zehnten Klasse, fest.
Auch die zurückgegangenen Zahlen der Anmeldungen an Musikschule und auch Sportvereinen sind durch die zunehmende schulische Belastung zu erklären, wie Annette Bildermann*, Lehrerin an einer Musikschule, bestätigt. „Viele Jugendliche kündigen mit der Begründung, dass der zusätzliche Musikunterricht aus schulischen Gründen nicht mehr möglich sei.“
Bei Sportvereinen sieht es ähnlich aus, da die Vereine häufig mehrere Stunden in der Woche anbieten und fast kein Schüler die Zeit hat, diese alle zu besuchen. „Um sportlich erfolgreich zu sein, muss man regelmäßig trainieren. Aber wie soll das gehen, solange die Jugendlichen so viel für die Schule machen müssen?“, fragen sich einige Trainer zu recht. Der Gesundheit ist das auch nicht gerade zuträglich. Viele wundern sich, dass die Deutschen immer mehr zunehmen. Ist das denn ein Wunder? „Ich denke schon, dass die Zahl der übergewichtigen Jugendlichen unter anderem mit der Zeit, die sie sitzend verbringen, zu begründen ist und beim Lernen bewegt man sich eben kaum“, meint ein Jugendfußballtrainer des BVB.
Auch berichten Psychologen, dass Jugendliche zunehmend über Belastung durch Stress klagen. „Viele Jugendliche hätten gerne mehr Zeit für sich und ihre Freunde. Bei einigen lassen sich sogar schon BURN OUT- Symptome feststellen“, so der Kinderpsychologe Dr. Holger Meyerford. Um mit der Schule gut zurechtzukommen und trotzdem genug Freizeit zu haben, müsste der Tag für unsere Schüler wahrscheinlich „einfach“ ein wenig länger sein.
Fiona Mennicken, Leverkusen, Marienschule