Porträt – Erfolgreich trotz Handicap

Tobias Link hat es geschafft, sein Leben trotz Behinderung zu meistern. Auch, wenn es bis jetzt nicht immer leicht war.

Er wurde am 26. Januar 1984 in St.Tönis geboren und ist von Geburt an schwer behindert (Zerebralparese, das heißt Gehirnlähmung). Das heißt bei ihm, dass er weder laufen noch sprechen kann und durch die Spastik motorisch sehr eingeschränkt ist, da einige Zellen des Gehirns gelähmt oder abgestorben sind. Tobias Link besuchte den heilpädagogischen Kindergarten in Tönisvorst.

Mit sechs Jahren kam er auf die Montessorischule, wo er fünf Jahre in die Grundschule ging (er blieb einmal sitzen). Nach einem Jahr Gesamtschule wechselte er wegen zu großer Probleme mit seiner Behinderung auf die Anna-Freud Gesamtschule für Körperbehinderte in Köln. Dort war er von der 5. Klasse an vier Jahre lang in dem zugehörigen Internat, zog dann aber wieder nach Hause.

Er selber sagt: „Die Realschule ist blöde gelaufen. War nur gut, den Talker kennen zu lernen.“ Ein Talker ist ein Sprachcomputer, der die Möglichkeit bietet, zu kommunizieren, indem man Wörter und Sätze eintippt, die der Computer dann wiedergibt. Zwar hatte er in der Grundschule schon einen Laptop mit Fingerführung, mit dem er sich mitteilen konnte, doch war der neue transportabler und hatte einen leistungsstärkeren Akku.

Tobias wurde durch den schulischen Alltag von einem Zivildienstleistendem begleitet, der ihm bei seinen täglichen Problemen half (Essen, Trinken, Arbeitsblätter beschriften). Natürlich wurde dieser für Tobias eine wichtige Bezugsperson.

Mit 20 hatte er dann seinen Realschulabschluss, bekam bei seiner Qualifizierung jedoch ein Problem: Der Direktor der Realschule hatte die Befürchtung, Tobias‘ Zivildienstleistender würde ihm nicht nur beim Ausfüllen, sondern auch beim Beantworten der Prüfungsfragen helfen. Für Tobias wäre es aber schwer gewesen, mit einem fremden, ungewohnten Zivi zu arbeiten. Also entschied er sich gegen die Qualifikation und schaute sich stattdessen nach möglichen Ausbildungen um.

Er versuchte es kurzerhand bei den Berufsbildungswerken bei Volmarstein, wo er auf drei Berufe getestet wurde: Bürokaufmann, technischer Zeichner und Mediengestalter. Nach zwei Wochen wurde er aber wieder nach Hause geschickt, da er sich in der Wirtschaft angeblich nicht gut werde behaupten können. Sein großer Traum war es etwas in Richtung Mediengestaltung zu machen, und so ging er mit damals 21 Jahren auf das Berufskolleg Kempen, wo er nach dem 12. Schuljahr sein Fachabitur in Programmieren und nach einem weiteren Jahr auch in Mathematik, Deutsch und Englisch machte. Dort kam er nach eigenen Angaben gut zurecht und bekam sogar von seinem Mathelehrer Nachhilfe.

Mit 24 Jahren schlug ihm das Arbeitsamt dann eine Ausbildung zum Bürokaufmann vor, die er in dem Ausbildungswerk Neckargmünd bei Heidelberg per E-Mail und Internetforen machte. Die Prüfung bestand er im September dieses Jahres.

Gleichzeitig begann er eine Ausbildung zum Kommunikationspädagogen, die viermal im Jahr in Wochenendblöcken stattfindet. Zusätzlich machte er ein Fernstudium zum C++ Programmierer (Softwareprogrammierer). Die Prüfung zum Kommunikationspädagogen ist im Mai nächsten Jahres.

Seit September studiert er außerdem an der Universität in Mönchengladbach Sozialpädagogik. Seit kurzem gibt er an der Gerd-Jansen-Schule in Krefeld Unterricht im Fach „Unterstützte Kommunikation“ und zeigt Schülern beispielsweise, wie man mit einem Talker umgeht.

Tobias Links Tagesablauf sieht heute ungefähr so aus:

– morgens um 6 Uhr aufstehen, anziehen und frühstücken

– um 7 Uhr kommt seine Assistentin (die ihn durch die Universität begleitet) und fährt mit ihm zur Universität

– um 8.15 Uhr ist das erste Seminar bis 9.45 Uhr

– bis 14 Uhr frei (Zeit für Mittagessen und Aufgaben)

– 14 Uhr bis 16 Uhr zweites Seminar

– um 17 Uhr zu Hause

– Abendessen, E-Mails und Post nachschauen

– fernsehen und gegen 22.30 Uhr ins Bett gehen

In seiner Freizeit spielt er gerne PC (Alte Adventures und World of Warcraft) oder programmiert. Er möchte am liebsten eine Software für seinen Talker entwickeln.

Im Fernsehen guckt er Shows wie „Wetten, dass…“ und liest am liebsten Harry Potter oder Bücher von Christy Brown. Was ihn sehr ärgert ist, wenn Leute seine Assistentin ansprechen, wenn sie etwas über ihn wissen wollen, anstatt ihn direkt anzusprechen.

Außerdem musste er gegen seine Krankenkasse erst vor Gericht gehen, damit er einen elektrischen Rollstuhl mit Stehfunktion bekam. Auch als sein Talker vor einiger Zeit kaputt ging und er dringend einen neuen brauchte, weigerte sie sich, ihm einen neuen zu bezahlen, da das Gerät, das er bräuchte, sehr teuer ist (20.000 Euro). Momentan legt er Einspruch ein.

Tobias Link findet es schade, dass die Schüler in Körperbehinderten-Schulen zum Teil unterschätzt werden.

„Mein Ziel ist es, mit Kindern zu arbeiten, die Lehrern nichts wert sind. Immer werden die gefördert, bei denen man schon Leistung sieht. Die, die es wirklich nötig haben, werden nicht gefördert.“

Georg Draube, Krefeld, Gymnasium Am Stadtpark