Immer mehr Menschen lassen sich von sogenannten Massive Multiplayer Online Roleplaying Games (MMORPGs oder zu gut Deutsch Massives Onlinerollenspiel) in ihren Bann ziehen. In riesigen Onlinewelten spielen Tausende Spieler mit- und gegeneinander. In Gruppen von bis zu 40 Mann säubert man düstere Verließe, besiegt das Böse, tötet Drachen und rüstet seinen Charakter (seine Online-Spielfigur) immer besser aus. Und genau da liegt die Falle: das Spiel endet nie.
Man hat nie alles erreicht, es gibt immer einen Bösewicht, den man noch nicht mit seiner Gilde (dauerhaften Gruppe von Spielern) besiegt hat, ein Schwert, das noch mächtiger ist, einen Rang, den man noch nicht erreicht hat. Und je weiter man im Spielinhalt vorankommt, desto mehr Zeit muss aufgewendet werden, um erfolgreich zu sein. So ist Zusammenarbeit und Koordination lebenswichtig. Es entwickelte sich schon fast eine eigene Sprache, mit eigenen Ausdrücken, Begriffen und Abkürzungen.
So wird der „Endboss“ von Tank getankt (eine stark gepanzerte Figur, die die Aufmerksamkeit des Gegners auf sich zieht), damit die „DDs“ (eng. damage dealer, dt. Schadensausteiler) DMG fahren“ können, also den Gegner schnell zur Strecke bringen. In der Zeit wird der Tank vom „Healer“ geheilt, damit er am Leben bleibt.
Die Strategien sind für jeden Endgegner unterschiedlich und erfordern Koordination en masse, sodass in manchen Gilden sogar fast schon Militärdisziplin herrscht. Aber so wird der menschliche Kontakt in den Vordergrund gerückt, und manchmal werden aus Online-Meetings reale Treffen in der nächsten Kneipe mit Freunden. Sogar Ehen haben solche Spiele schon geschmiedet.
Doch es gibt auch Extremfälle unter den Suchtopfern. Tagelang, ohne Pause wird gezockt, um besser als andere zu sein. An Mitternachtsverkäufen von Spielerweiterungen, die in der ganzen Welt als eine große Veranstaltung durchgeführt werden, werden Menschen fast zu Brei geschlagen, um eine CD mit dem Erweiterungspaket zu ergattern und als einer der Ersten die neuen Spielinhalte zu erforschen.
Kontakte in der realen Welt schwinden, die körperliche Fitness wird vernachlässigt, die Schulleistungen sinken. Solche Fälle werden bereits wie eine Krankheit in speziellen Kliniken behandelt.
Aber am Ende sollte jeder für sich entscheiden, ob er das echte Leben wegen des Virtuellen vernachlässigt oder nicht. Denn auch mit einem Online-Alter-Ego kann man weiter im realen Leben anwesend sein.
Alexander Shulman, Krefeld, Comeniusschule, Mariannenstr.