Der stellvertretende Direktor des Sebus-Gymnasiums – Ein Gespräch über Geschichte, Schule und Bolivien

Herr Reinders, welche geschichtliche Person bewundern Sie am meisten?

Janosch Krautschak. Janosch Krautschak ist eine historische Person, ein Pädagoge, der mit Kindern nach Auschwitz gegangen ist, sie belogen hat, und sie begleitet hat – freiwillig. Das ist der Mensch der Geschichte, den ich meisten bewundere, auch weil er Pädagoge war.

Es gibt immer Schüler, die das Fach Geschichte langweilig finden. Haben auch Sie Themen, die Sie langweilen oder langweilt Sie manchmal auch das Unterrichten?

Natürlich gibt es Bereiche, die mir nicht so nahe sind, aber ich versuche dann immer mich selber zu motivieren – und hoffentlich auch die Schüler – und Methoden oder einen Zugang zu finden, um auch dieses Stück interessant zu machen.

Welche Bereiche sind das?

Die Frühneuzeit liegt mir nicht ganz, das ist das 16./17. Jahrhundert, bestimmte Teile des Mittelalters. Die sind auch glücklicherweise in der Schule nicht ganz so wichtig. Wir haben hier in der Schule eine Betonung auf das Altertum, auf das 19. und natürlich das 20. Jahrhundert, und da fühle ich mich auch sicher.

Ist es richtig, dass Sie den Schülern nicht nur Wissen sondern vor allem auch Kompetenzen abverlangen?

Natürlich ist das so. Das ist ja auch nicht nur mein Wunsch, das ist sozusagen auch der Wunsch der großen Politik. Das heißt, dort, wo über Bildung nachgedacht wird, wird ja nicht nur darüber nachgedacht Wissen – natürlich gehört auch das dazu – sondern auch Kompetenzen zu vermitteln.

Wo waren Sie bevor Sie hierher kamen? Wir haben erfahren, dass Sie in Südamerika waren.

Ich war acht Jahre lang Schulleiter in Bolivien.

Gibt es etwas, das Ihnen dort besser gefallen hat als hier?

Eindeutig das Wetter. Gut gefallen hat mir auch, dass ich dort als Schulleiter mehr Gestaltungsmöglichkeiten hatte. Die Schule selbst konnte die Ferien bestimmen, in welchem Schuljahr, welche Fächer angeboten werden, ich durfte Lehrer einstellen – und auch entlassen. Ich konnte also Schule wirklich selbst gestalten. Dies war als Herausforderung für einen Pädagogen schon etwas Besonderes. Alles ganz alleine zu machen, ging natürlich nicht. Aber es gab keine Behörde, der wir nicht klar machen konnten, meinetwegen in der neunten Klasse mehr Geschichte zu unterrichten.

Zum Schluss würden wir noch gerne etwas ganz Allgemeines von Ihnen wissen: Glauben Sie, dass der Mensch aus der Geschichte lernen kann?

So ganz langsam: Ja. Es ist ein langsames Lernen, aber leider immer mit dem Risiko, dass es doch wieder nach hinten geht, immer mit dem Risiko, dass es doch wieder zu Zvilisationsbrüchen kommt. Auschwitz war so etwas, und das, was in Südamerika oder in Afrika passiert, sind auch Zivilisationsbrüche, wo der Mensch zurückfällt in eine atavistische Brutalität. Das ist wohl nie zu vermeiden, aber wir können es eindämmen und wir müssen alle daran arbeiten.

Herr Reinders, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Till Gietmann und Philipp Lorenz, Kleve, Johanna-Sebus-Gymnasium