Tastatur statt Füller, Sprachprogramm statt Eltern – Bytes statt Beziehung

Für unsere Großeltern und Urgroßeltern muss die große Welt des Internets wie aus einem Sciencefiction-Film erscheinen: „Oma, ich habe das QWE gelernt!“ „QWE? Du meinst doch wohl ABC?“, erwidert die Großmutter entrüstet. „Nein Oma, guck dir doch mal die Tastatur an.“ „Und der Einkaufszettel?“ „Schon getippt!“

Ich bin 85 Jahre alt und habe 15 Enkelkinder und alle sind vernetzt, nur ich bin außen vor. Damals, in den guten alten Zeiten habe ich noch Griffel und Tafel benutzt, heute finden schon die ersten Schreibversuche meiner Enkel am PC statt.

Das erste Wort meines jüngsten Enkels, der vor kurzem zwei Jahre alt geworden ist, war „Compi“, der Name seines Sprachlernprogramms. Einen Sensor für volle Windeln ist im Strampler integriert. Sollen meine Enkel in absehbarer Zeit schon in der Wiege damit beginnen, den Umgang mit dem PC zu erlernen – vielleicht kann sich dann schon ein Neugeborener „angemessen“ verständigen?

Ein anderer Enkel von mir zeigte mir stolz sein neues Grafikdesign aus dem Kunstunterricht, ich beschäftigte mit zu dieser Zeit noch mit der Farbenlehre. Meinen ältesten Enkel – gerade mitten in der Pubertät – sah man in letzter Zeit nur noch im Chat. Nach ein paar Tagen steckte ein Bild einer attraktiven Blondine in seinem Portemonnaie, beim Sonntagskaffee gab er großspurig mit dem Bild an. Beim nächsten Kaffeetrinken aber machte er einen sehr deprimierten Eindruck. Am Abend zuvor hatte er sich mit seiner Chat-Schönheit getroffen. Seine Angebetete war wohl doch eher eine pubertäre Variante von Nina Hagen mit Bildbearbeitungskentnissen.

Schweißgebadet wache ich auf und mir geht nur ein Gedanke durch den Kopf: „Danke, Medialisierung! Du rottest die zwischenmenschlichen Beziehungen aus!“

Franziska Hägele, Goch, Coll. Augustinianum Gaesdonck