Den Fall des Ex-Nationalspielers Sebastian Deisler kennen viele Fußballfans, und trotzdem fällt die Fußballwelt aus allen Wolken. Die Nachricht vom Tod des Nationaltorhüters Robert Enke kommt für die Menschen überraschend. Enke litt seit 2003 an schweren Depressionen und war in ständiger ärztlicher Behandlung. Dürfen Depressionen in unserer Gesellschaft nicht vorkommen?
Nach Expertenschätzungen leiden vier Millionen Menschen in Deutschland an Depressionen, zwei Drittel, ohne es zu wissen. Ein Großteil der 9331 Suizide im vergangenen Jahr wurde von Depressionen verursacht. Drei von vier Opfern sind männlich.
Aber warum bleiben Depressionen so lange unerkannt? Vor allem Männer fallen durch die Raster der Diagnose. Es passt nicht in ihr Rollenbild, sich aufgrund von psychischen Erkrankungen behandeln zu lassen. Oft bleiben Depressionen unerkannt, die Symptome wie Schlaf- und Appetitlosigkeit werden missverstanden und mit Extremsport, Arbeitswut oder Alkohol verdrängt.
Robert Enke führte ein Doppelleben – aus Angst vor den Reaktionen der Öffentlichkeit. „Wir haben gedacht, mit Liebe geht das, aber man schafft es doch nicht immer“, sagte Theresa Enke nach dem Tod ihres Mannes. Sie schilderte, dass der Nationaltorhüter für den Fußball lebte. Der Sport habe ihm ein Stück weit geholfen, zumindest für die Zeit des Spieles, seine Depressionen zu vergessen. Deshalb machte Robert Enke seine Krankheit nicht öffentlich. Ein Torwart, der sich fürchtete, war für ihn in dieser Männerwelt undenkbar.
Depressionen scheinen in unserer Leistungsgesellschaft nicht vorzukommen oder nicht vorkommen zu dürfen, aber es ist wissenschaftlich erwiesen, dass jeder fünfte Mensch einmal in seinem Leben an einer Depression leidet. Man geht davon aus, dass viele unterschiedliche Faktoren dazu beitragen, an Depressionen zu erkranken. So könne eine andauernde Belastungssituation, ein einmaliges Ereignis, Versagensängste oder auch negative Erfahrungen aus der Kindheit eine Depression verursachen. Das Risiko eines Arbeitnehmers, an Depressionen zu erkranken, steigt um bis zu 70 Prozent, wenn er dauerhaft überfordert ist, wenn er sich stark verausgaben muss, ohne entsprechende Wertschätzung zu erhalten, wenn er unfair behandelt wird oder bei schwierigen Aufgaben keine Unterstützung erfährt.
Eine Depression muss nicht zwangsläufig mit dem Suizid enden. Auch für den Hannoveraner wäre der konsequente Schritt, den Sebastian Deisler vollzog, die Rettung gewesen: eine stationäre Behandlung und eine Pause oder ein Abschied aus dem Profifußball. „Ich bin noch nicht im Leben angekommen. Aber auf dem Weg dahin“, bekennt Sebastian Deisler, der sein Buch „Zurück ins Leben“ zweieinhalb Jahre nach dem Rückzug aus der Öffentlichkeit vorstellte.
Eine Depression ist eben nicht überstanden wie eine Grippe. Nach einer Therapie ist man nicht gleich wieder „ganz der Alte“. Mehr Bewusstsein für die Probleme und Interessen der Betroffenen sind notwendig.
Carolin Vogt, Goch, Coll. Augustinianum Gaesdonck