Eine Frau im Latex-Nonnenkostüm räkelt sich im Bett, zusammen mit halb nackten Männern, sexistisch zu futuristischer Popmusik. Das neue Video von Lady Gaga ist raus und tausend Jugendliche warten seit Wochen gespannt auf den mindestens zehnminütigen Musikclip.
Lady Gaga, die im Moment angesagteste Sängerin, die mit ausgefallenen und fragwürdigen Outfits und Liedern polarisiert. Den Künstler so neu und verrückt wie möglich zu gestalten, ist ein heutzutage beliebtes Mittel, um von der nur halb so guten Stimme abzulenken. Früher waren die Lieder auch bis zu zehn Minuten lang, allerdings waren sie echt. Videos oder Konzerte bestanden nur aus dem Sänger, vielleicht einer Band und einem Mikro. Mehr nicht.
Werden heute dann Unmengen an Geld für eine Karte von einem Superstar bezahlt, platzt der Traum des amerikanischen Stimmwunders meistens schnell. „Live“ ist öfter nur die bunte und skurrile Bühnenshow, die Stimme (falls live gesungen wird) nicht mehr so wohlklingend wie auf dem Album. Die neuen Teenie-Idole sind immer individueller und neuer als alle anderen zuvor. Doch der wahre Wert der Musik geht unter all dem Kitsch und der Selbstvermarktung verloren.
Live-Musik war früher selbstverständlich, Popularität und Medienrummel eher nebensächlich. Der Meinung ist auch Angelika K., die uns in einem Gespräch erzählt, dass es in ihrer Jugend noch ganz anders zuging. „Früher war die Musik noch echt und hat ganz andere Werte vermittelt. Da war Musik noch Kunst.“ Damals prägten weitaus weniger Musikstile eine ganze Generation, heute präsentiert sich fast jeden Monat eine Band mit einem „noch nie zuvor gehörten Klang“. Doch fraglich ist, ob die Hälfte der aktuellen Musik noch wirklich Kunst darstellen soll oder nur ein Mittel zum Zweck ist. Ein schneller Weg zum Geld und ein garantierter Einstieg in die Promiwelt. Zumindest für kurze Zeit.
Die Justin Biebers und Katy Perrys dieser Welt prägen die Musikwelt zwar kurz und heftig, was an einem guten Management liegen dürfte, da diese die „Künstler“ perfekt auf die im Moment angesagten Trends zuschneiden. Doch Trends kommen und gehen, wird jeder verfolgt, verlieren Bands oder Sänger schnell ihre Glaubhaftigkeit. Ist es nicht Kunst, wenn der Erfolg nur durch die eigene, ehrliche Musik und nicht durch komische Outfits oder schlechte Coversongs erzielt wird?
Ehrlichkeit währt nun mal am längsten, so auch die guten alten Klassiker von den Rolling Stones, Jon Bon Jovi oder Genesis. Generationsübergreifend begeistern sie seit Jahren, ohne Schminke und ohne Konzerthallen, die nach Zuckerwatte duften. In den Hallen riecht es noch nach Schweiß und Rauch, die Masse tanzt und die Musik kommt nicht vom Band, sondern vom Herzen. Kunst, die einfach funktioniert.
Anne Kluge und Christoph Krauhausen, Geldern, Berufskolleg Geldern