Ein Plakat von den Parents for Future liegt auf einer Stufe

Wieso hat die Generation Golf nichts getan?

War uns unsere Work-Life-Balance wichtiger als das Klima? Das fragt sich einer von den „Alten“, gegen die die Jugend bei „Fridays for Future“ auf die Straße geht. 

Von Dirk van Straelen, aufmerksamer und treuer Texthelden-Leser

Mitten in die 60er-Jahre hineingeboren, gehöre ich wahlweise zur Generation X oder Golf. Womit wir auch schon beim Thema wären. Mit 54 Jahren ist es Zeit für eine kleine Bestandsaufnahme. Die ersten Freunde sind unter der Erde, eine Sehhilfe ist ständiger Begleiter und irgendwie geistert auch das Wort „Rente“ durch den Raum. War’s das?

Als Vater von zwei 12 und 15 Jahre alten Kindern passieren in der letzten Zeit seltsame Dinge! Nein, ich meine nicht die Pubertät, sondern dass meine Kinder mit mir über Politik reden wollen. Greta Thunberg und YouTuber Rezo sei Dank. Immer wieder habe ich versucht, meine Sprösslinge für das Geschehen im Land und in der Welt zu interessieren – mit minimalem Erfolg. Zeitung oder TV? Nicht das richtige Format. Nun aber dreht sich der Wind.

Die Jugend hat keine Lust mehr auf Beschwichtigungen

Offensichtlich ist etwas in Gang gekommen, auf das man lange warten musste. Die Jugendlichen haben anscheinend erkannt, dass etwas schwer in Unordnung ist. Und lassen sich jetzt nicht mehr mit den tradierten Mitteln wie Beschwichtigung, Relativierung oder Leugnung von ihrer Sache abbringen.

Was mich wieder zum Anfang der Geschichte bringt. Wieso haben wir, die Generation X oder Golf, eigentlich nichts unternommen? Warum haben wir uns das alles gefallen lassen? Sind wir Opfer oder Täter? Werden wir uns bald von unseren Kindern fragen lassen müssen, warum wir nichts getan haben? Nun, vielleicht kannten wir die Fakten nicht? Umweltschutz, Klimawandel, Migrationsbewegungen, ausufernde Staatsfinanzen, drohender Kollaps der Sozialsysteme – um mal nur einige Baustellen zu nennen.

Natürlich kennen wir die Fakten

Aber natürlich sind uns die Fakten bekannt. Diverse Studien und Untersuchungen namhafter Institutionen bescheinigen uns ja in schockierender Regelmäßigkeit unsere zunehmende Mittelmäßigkeit. Aber das stört offensichtlich unsere Personal-Comfort-Zone. Weg mit den schlechten Nachrichten! Uns geht’s doch gut. Stattdessen rein ins politische Kabarett zu Volker Pispers, Dieter Nuhr oder Jürgen Becker. Dort bekommt man zwar die gleichen Botschaften erzählt, diesmal aber nett verpackt und zum Lachen. Nach zwei Stunden darf man wieder nach Hause gehen, und schon ist die Welt wieder in Ordnung.

Liegt es an dem, was ich bei einer kleinen Web-Recherche zu meiner Generation gefunden habe? Hier einige Stichworte: Desinteresse am Allgemeinwohl, nach Konsum strebende Ego-Gesellschaft, unpolitisch, hedonistisch, Handeln zum eigenen Vorteil …

Ein Appell an meine Generation: Raus auf die Straßen!

Leider stelle ich fest, dass wir wenig getan haben, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Waren wir zu sehr beschäftigt mit unserer Arbeit, unserem Wohlstand und unserer Work-Life-Balance? Das bekommen wir nun von unseren Kindern unter die Nase gerieben. Wir müssen schnell anfangen, uns neu zu erfinden. Dinge pragmatisch angehen. Lösungen finden, anstatt neue Probleme zu suchen! Sonst werden wir bald aus dem Paradies vertrieben.

Es gehört nicht viel Prophetie dazu, das Ende unseres Wohlstands vorauszusagen. Deswegen der dringende Appell an meine Generation: Raus auf die Straße, Mut zur eigenen Meinung und alle Energie in Richtung Zukunft! Wir sind es unseren Kindern schuldig.