Migration – Was ist Heimat?

Ist Heimat wirklich da, wo man sich am wohlsten fühlt oder da, wo man am längsten gelebt hat?

Es gibt den Spruch, „Heimat ist da, wo man sich am wohlsten fühlt”. Aber stimmt das wirklich? Oder ist Heimat vielleicht da, wo man geboren ist? Wo die Eltern herstammen? Ist Heimat wirklich da, wo man sich am wohlsten fühlt und wo ist dieser Ort?

In den letzten Jahren hat Deutschland Tausende Flüchtlinge aufgenommen. Zwischen Januar und Oktober 2017 wurden allein 187.226 Asylanträge gestellt; nun sollen diese Menschen integriert werden. Deutschland soll vielleicht irgendwann für manche zur „Heimat” werden. Für die meisten von ihnen liegt ihre Heimat in dem Land, aus dem sie geflohen sind. Haben sie sich dort am wohlsten gefühlt? Trotz Krieg? Trotz der ständigen Angst, den nächsten Tag könnten sie vielleicht nicht mehr erleben? Auch in ihren großen Sorge um ihre Familien?

Wenn man mich fragt, wo und was ist, für dich Heimat, fällt mir die Antwort sofort ein. Für mich ist Heimat der Ort Kaiserswerth, die Stadt Düsseldorf. Ich bin hier geboren, lebe seit 15 Jahren im selben Haus, bin noch nie umgezogen. Ich gehe seit 10 Jahren auf dieselbe Schule und war in einem Kindergarten in Kaiserswerth. Meine gesamte Familie lebt sehr nah bei mir und ich kann sie jederzeit besuchen.

Wenn man diese Frage allerdings meinem Vater stellt, ist die Antwort für ihn nicht so leicht. Beide seiner Eltern sind Deutsche. Aufgrund eines Arbeitsauftrages seines Vater sind seine Eltern freiwillig nach La Paz, Bolivien gezogen. Dort ist mein Vater in Incalacaya, La Paz, Bolivien, auf 4000 Metern Höhe geboren. Nach einem Jahr zog die kleine Familie aufgrund der Arbeit meines Großvaters ins benachbarte Land Peru. Dort sind zwei jüngere Brüder meines Vater geboren. Das Ende des Arbeitsverhältnisses meines Großvaters und sein Wille die Kinder auf Deutschen Schulen auszubilden, führte die Familie wieder nach Deutschland zurück. Zu diesem Zeitpunkt war mein Vater sechs Jahre alt. Mit Unterbrechungen während seiner Studienzeit lebt mein Vater nun seit 52 Jahren in Düsseldorf.

Auch für meinen Vater ist es nicht ganz leicht klar zu definieren, wo für ihn Heimat liegt. Er ist nicht aus Kriegsgebieten geflohen, wie heute die Flüchtlingskinder, aber schon mit sechs Jahren weite Strecken mit einem Frachtschiff gereist und benötigte für diese Reise von circa 10.000 km 21 Tage.

Mittlerweile ist für ihn Düsseldorf zur Heimat geworden. Mein Vater lebt hier nun seit 52 Jahren, hat hier Familie und ist glücklich. Er hat 35 Jahre als Arzt gearbeitet und somit einen großen Teil seines Lebens hier verbracht. Obwohl er einen Teil seiner Kindheit in Peru und Bolivien verbracht hat, fühlt er sich heute in Düsseldorf am wohlsten. Wird das für einige Flüchtlinge vielleicht auch so werden können? Werden sie nach einer gewissen Zeit Deutschland als ihre Heimat betrachten? Oder bleiben sie mit ihrem Heimatland verbunden?

Wie wichtig sind religiöse Feiertage für ein Gefühl der Heimatverbundenheit? In Deutschland gibt es andere religiöse Feiertage als in den Ländern, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen (Syrien, Irak, Afghanistan etc.). In dieses Ländern dominiert der Islam. Hierzulande leben die meisten Menschen im christlichen Glauben. Somit werden in Deutschland sehr viele christliche Feiertage gefeiert und teils sind auch Schulferien von ihnen abhängig, zum Beispiel die Weihnachts- und Osterferien. Die Flüchtlinge kommen nach Deutschland in ein Land, in dem andere Sitten und Bräuche bestehen als in ihren Herkunftsländern. Da schließt sich die Frage an: Wie stark prägen Bräuche ein Heimatgefühl? Reicht es, Feiertage aus den Herkunftsländern der Flüchtlinge im Kreise der Familie oder in Gemeinden zu feiern oder ist es hilfreich, wenn diese als offizielle Feiertage aufgenommen werden?

Was ist jetzt eigentlich Heimat? Ich glaube, dass jeder diese Frage für sich selber beantworten muss. Heimat ist ein ganz persönliches Gefühl. Für manche ist Heimat da, wo man sich am wohlsten fühlt, für andere in der Geborgenheit ihrer Familien, für wieder andere, da wo sie am längsten gelebt haben, oder sie haben ihre Heimat an ihrem Geburtsort.

Wo ist denn für dich Heimat?

Victoria Schroeder-Finckh, 9.3, International School Düsseldorf