Interview – „Als Tagesvater bin ich ein Exot“

„Werden Sie Tagesvater“. Wer hat diese Werbung, die seit einigen Monaten in Bus und Bahnen hängen noch nicht gesehen? Wenn man diese Werbung liest, bekommt man den Eindruck, dass jeder Mann auch Tagesvater werden kann und dass es völlig selbstverständlich ist.

Noch sind sie jedoch selten, die Väter, die sich vorstellen können, als Tagesvater Kinder zu betreuen. Aber es gibt sie. Der Entschluss, eine eigene Kita zu eröffnen, ist nicht selten aus der Not geboren: Arbeitslos mit oder ohne eigenem Kind – warum sich also nicht selbstständig machen und als Tagesvater Kinder betreuen? Michael Jung ist seit circa sechs Jahren Tagesvater in Düsseldorf-Benrath und einer der ersten überhaupt in Düsseldorf. In seiner kleinen, privaten Kindertagespflege betreut er täglich insgesamt fünf unter dreijährige Kinder.

Frage: Herr Jung, Sie sind seit circa sechs Jahren Tagesvater in Benrath. Sie dringen in Felder ein, die bislang weitestgehend von Frauen dominiert werden. Wie kamen Sie dazu?

Michael Jung: Als meine älteste Tochter ins Kindergartenalter kam, überlegte ich, ob ich nach meiner Elternzeit in mein altes Berufsfeld zurückgehe. Ich merkte aber, dass ich weiter mit Kindern arbeiten wollte. In einigen Spielgruppen, die ich mit meiner Tochter besucht habe, habe ich festgestellt, dass mir das großen Spaß macht. Daraufhin habe ich mich schlau gemacht, welche Möglichkeiten es da für mich gibt. Mir war schon klar, dass ich mit der Entscheidung Tagesvater zu werden, ein Exot sein würde. Aber das war ich aus den Spielgruppen schon gewöhnt.

Frage: Was gefällt Ihnen an Ihrem Job besonders?

Michael Jung: Ganz besonders gefällt es mir, die Kinder sich entwickeln zu sehen. Dabei schaffe ich den Raum, der den Kindern die Möglichkeit zur Entfaltung ihrer geistigen, motorischen und sozialen Fähigkeit gibt. Das honorieren die Kinder mit einem ständigen, ehrlichen Feedback. Ganz besonders wichtig ist mir auch, dass ich in meinem Beruf nicht irgendein Produkt verkaufe, was ich vielleicht noch nicht einmal selbst hergestellt habe, sondern ich bringe mich selbst mit meiner Persönlichkeit ein.

Frage: Warum denken Sie, dass es wichtig ist, dass unter dreijährige Kinder auch von Männern betreut werden?

Michael Jung: Meine Ausgangsüberlegung war, mich in der Tagespflege als männliche Bezugsperson für die Kinder alleinerziehender Mütter zu positionieren. Bei den über 20 Kindern, die ich bisher betreut habe, war aber nur eins mit abwesenden Vater dabei. Die anderen Mütter sehen aber auch deshalb Vorteile, weil ihre Ehemänner aus beruflichen Gründen wenig Umgang mit ihren Kindern haben. Darüber hinaus ist es eine zurecht weit verbreitete Ansicht, dass Kinder bis zur weiterführenden Schule fast ausschließlich mit Frauen zu tun haben. Die Väter/Männer gehören zur Persönlichkeitsbildung der Kinder – Jungen wie Mädchen – unbedingt dazu. Ich bin froh, einen Beitrag dazu leisten zu können.

Frage: Denken Sie, dass jeder Mann Tagesvater werden kann?

Michael Jung: Nein! Genauso wenig, wie jede Frau Tagesmutter werden kann!!!

Simon Grah, Düsseldorf, Erzb. St. Ursula-Gymnasium