Plenarsitzungen, Politiker, Proteste hautnah erleben. Eine ganz besondere Erfahrung.
Plötzlich werden sie still und nehmen geräuschlos auf der Besuchertribüne Platz. Die Schüler der 10. Klasse der Anne Frank Gesamtschule Rheinkamp werfen einen langen Blick in den hell erleuchteten Plenarsaal. Auf den ersten Blick kann man den Bundesadler sehen. Fett prangt er, der auch „Fette Henne“ genannt wird, an der Stirnwand des Bundestags.
Unter dem Bundesadler stehen die Bundes- und die Europaflagge. Davor in der Mitte, direkt hinter dem Rednerpult, befinden sich die herausgehobenen Plätze des Bundestagspräsidiums. Vor dem Redner sitzen die Stenografen und hinter ihm sitzt der Bundestagspräsident oder sein Vertreter, neben ihm sitzen die beiden Schriftführer.
Die anderen Plätze vor dem Rednerpult gehören den fünf Parteien, von rechts nach links: FDP, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke. Die Plätze sind allerdings nur spärlich besetzt. Bei der Plenarsitzung, die wir verfolgen können, sind maximal zehn Mitglieder der einzelnen Parteien anwesend. Schade! Auch Frau Merkel ist nicht da.
Streitigkeiten gehören einfach in den Alltag. Plötzlich wenden alle gleichzeitig ihren Blick auf die rechte Seite des Plenarsaals. Von dort ist die Stimme zu hören. Es ist ein Abgeordneter der FDP, der versucht, dazwischenzurufen. Doch der Redner lässt sich nicht beeindrucken. Er bringt seine Rede zu Ende und geht dann wieder an seinen Platz. Schon wird der Nächste zum Pult gerufen. Auch diese Rede wird durch Zwischenrufe gestört. Von der anderen Partei hört man ein hämisches Lachen, welches verdeutlichen soll, dass sie die Position des Abgeordneten nicht teilen. Auf der anderen Seite wird auf die Tische geklopft. Ein Ausdruck dafür, dass diese Partei dem Redner zustimmt. So kann man von einer „gemischten“ Atmosphäre sprechen, die aus positiven und negativen Reaktionen der Abgeordneten entsteht.
Plötzlich fängt die stellvertretende Bundestagspräsidentin an zu reden. Gleich danach gehen die Hände des größten Teils der Abgeordneten in die Höhe. Es wird also abgestimmt. Insgesamt sind es drei Abstimmungen, bei denen sich die Abgeordneten zwischen „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ entscheiden müssen. Nach den Abstimmungen wird die Sitzung geschlossen. Schon nach wenigen Sekunden ist der Plenarsaal leer; es wirkt, als ob die Politiker durch die Türen hinausgesaugt wurden.
Nach einem kurzen Moment der Leere strömen wieder Menschen in den Saal. Es sind Saaldiener. Sie räumen die Papierstapel auf, die noch auf den Tischen liegen geblieben sind. Manches wird in Schubfächer gelegt, vieles wandert in den Müllsack. Auch die Gläser werden schnell aufgeräumt. Am nächsten Tag soll ja alles wieder reibungslos verlaufen. Die Auseinandersetzungen der vorhergehenden Debatte sind schon vergessen.
Mit fröhlichen Gesichtern und mehr Wissen im Kopf verlassen nun die Schüler den Bundestag. Nach diesen anstrengen, aber auch erlebnisreichen Tag müssen sie leider zurück zum Hotel fahren.
Hamide Tuncel, Moers, Anne-Frank-Gesamtschule, Kopernikusstr.