Ein Tag im Leben eines Blinden – Wie man sieht, sieht man nichts!

Für ein Projekt laufen wir, zwei Schüler des St.-Ursula-Gymnasiums, zwei Stunden blind den Rhein entlang. Wir wollen testen, wie sich ein Blinder wohl fühlt, wenn er sich fortbewegt!

„Hey, wo bist du?“, rufe ich meine Freundin verzweifelt. Wir machen nur kleine Schritte, weil wir jede Unebenheit im Boden spüren. Doch jetzt, wo meine Freundin nicht mehr neben mir steht, laufe ich orientierungslos immer weiter vom Weg weg. „Geh am besten einen großen Schritt nach links, sonst läufst du gleich in den Rhein! Wusstest du eigentlich, dass es über 39,8 Millionen blinde Menschen auf der Welt gibt??“ „Stimmt! Die Armen! Ich finde es ja schon schwer, mich zwei Stunden orientierungslos fortzubewegen!“ Eigentlich hätte ich gerne noch hinzugefügt, dass nur zehn Prozent von ihnen in Industrieländern leben, aber dafür muss ich mich zu viel auf den Weg konzentrieren.

Wir finden, das Blindsein so schlimm ist, weil 80 Prozent der Wahrnehmung über die Augen erfolgen! Am Anfang hätten wir uns deshalb am liebsten den Schal wieder von den Augen gerissen! Nach weiteren hundert Metern werde ich plötzlich von meiner Freundin eine Mauer hinunter geführt. Währenddessen klärt sie mich darüber auf, das 50 Prozent der Deutschen durch Altersschwäche, 18 Prozent durch eine oder mehrere Augenerkrankungen und 32 Prozent durch andere Ursachen, wie zum Beispiel Unfälle, erblindet sind.

Noch höre ich ihre Schritte vor mir, doch plötzlich meint sie, ich solle sie mal blind, nur mithilfe des Gehörs, finden. Als Preis verspricht sie mir einen Kaugummi, welchem ich anhand des Geschmacks einer Farbe zuordnen soll! Doch so leicht, wie es sich anhört, ist es gar nicht. Ich laufe ständig in andere Richtungen, bis ich schließlich gegen etwas Hartes, Festes stoße. „Das war ein Baumstamm“, klärt mich meine Freundin später unter lautem Gelächter auf… Dann bekomme ich mein wohlverdientes Kaugummi. Während wir beide kauend kreuz und quer am Rhein entlanglaufen, beruhigt mich meine Freundin. „Wärst du wirklich blind, hättest du ein Anrecht auf Blindenhilfe.“ „Stimmt, aber man muss sich auf den anderen vollkommen verlassen können! Sonst wäre ich vielleicht trotz der Hilfe gegen einen Baum gelaufen.“ Lachend gehen wir weiter.

Plötzlich fing es an zu regnen und ich musste den Regenschirm aus meiner Tasche suchen. Das war auch ziemlich schwer. Nach den zwei Stunden konnte ich dann endlich den Schal abnehmen! Das war ein so intensives Gefühl. Alles war so schön bunt! Als wir schließlich durchgefroren auf dem Heimweg waren, konnten wir uns auf eine heiße Tasse Tee freuen.

Carolin Rippen und Svenja Eidmann, Düsseldorf, Erzb. St. Ursula-Gymnasium