Nach dem Putschversuch in der Türkei sind viele Türken nach Deutschland geflohen. Die 13-jährige Gizem ist eine von ihnen.
Von Fulya Gök, 8a, Comenius Gymnasium Düsseldorf
Nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 in der Türkei sind viele patriotische türkische Bürger wegen der Verfolgungen und Nachstellungen durch die Regierung unter Präsident Erdogan aus dem Land geflohen. Gizem Onur (Name v. d. Autorin geändert) ist eine von ihnen. Die Dreizehnjährige ist mit ihrer Familie nach Deutschland geflohen und lebt seit Herbst 2016 in Düsseldorf. Sie hat die Sprache innerhalb eines Jahres gelernt und geht jetzt auf ein Gymnasium. Wir sprachen mit ihr.
Wie hat der Putschversuch dein Leben in der Türkei verändert?
Obwohl meine Familie nichts Schlimmes getan hat, wollten die Menschen nicht mehr mit uns reden. Ich hatte keiner Freunde mehr, sie haben mich so angeguckt, als ob ich jemand Böses wäre. Ich habe mich geschämt, die Berufe meiner Eltern – mein Vater ist Lehrer – zu nennen. (Anmerkung d. Autorin: Nach dem Putsch hat Erdogan hunderttausend Lehrer, Universitätsprofessoren, aber vorher auch schon Polizisten, Staatsanwälte, Richter usw. aus dem Dienst entlassen, angeblich, weil sie die Regierung stürzen wollten). Falls wir länger in der Türkei geblieben wären, hätten meine Eltern ins Gefängnis gemusst, obwohl sie unschuldig waren und dann hätte ich allein auf meinen kleinen Bruder achten müssen. Wir mussten immer vorsichtig sein.
Was waren deine Hoffnungen, als du nach Deutschland gekommen bist?
Ich habe erwartet, dass ich neue Freunde finde und dass ich mir keine Sorgen mehr machen müsste, dass meiner Familie etwas Schlechtes passieren wird.
Und wie ist dein Leben nun, wie lebt es sich hier, in Deutschland?
Alles wirkt besser. Ich habe neue Freunde gefunden, die mich verstehen können und ich freue mich sehr, dass ich jetzt meine Meinung frei äußern darf. Ich muss mich nicht mehr für den Beruf meiner Eltern schämen. Ich kann mit Stolz auf die Straße gehen.
Was hältst du von dem aktuellen politischen Stand in der Türkei?
Leider finde ich die aktuelle politischen Situation der Türkei sehr kritisch. Ich wünsche mir, dass die türkischen Bürger sich einen neuen Präsidenten wählen, der keiner Diktator ist. Die Regierung muss sich auf jeden Fall verändern, die Menschen sollen eine freie Stimme haben. Ohne Druck, ohne Angst. Ich weiß nicht mehr, wie viele Männer derzeit im Gefängnis sind, aber derzeit befinden sich rund 6 Millionen Frauen im Gefängnis, obwohl sie nichts Schlimmes gemacht haben, um so eine Strafe zu bekommen. (Zahlen wurden von der Autorin nicht überprüft.) Die Frauen, die schwanger sind, sind da keine Ausnahme. Viele Anwälte wollen diesen Menschen nicht helfen, weil sie Angst haben, dass sie verhaftet werden, und Arbeitgeber haben Angst, arbeitslosen Regierungskritikern wieder eine Arbeit zu geben.
Wo siehst du dich in zehn Jahren?
In zehn Jahren sehe ich mich bei meiner Familie in der Türkei. Ich habe alle schönen Dingen in der Türkei vermisst, zum Beispiel die schöne Natur der Türkei, die nirgendwo sonst zu finden ist. Ich sehe mich als eine erfolgreiche Person, die den Menschen helfen kann und von allen respektiert wird.