Meinung – Literaturpapst ohne Benehmen

Natürlich hat Reich-Ranicki mit seinem Urteil über das Niveau des heutigen Fernsehprogramms Recht. Aber hat es auch Niveau, öffentlich andere Künstler bloßzustellen, zu beleidigen und sich über sie lustig zu machen?

Jeder hat seine Meinung, und auch im puncto Unterhaltung hat jeder seinen eigenen Stil – und das ist auch gut so, denn das Fernsehen bietet für Jung und Alt eine Vielzahl an Sendern, von denen sich jeder Einzelne seinen Favoriten wählen kann. Deswegen ist es unfair von Reich-Ranicki, sich so über andere Künstler zu äußern.

Auch fehlt es Reich-Ranicki anscheinend an Benehmen. Es ist ein Zeichen des Respekts, wenigstens zu versuchen, dem heutigen Stil an Unterhaltung zuzuhören – vor allem, wenn man weiß, dass die eigenen Literatur-Werke nominiert wurden. Zudem schätzen viele der Künstler Reich-Ranicki – doch auch sie hat er mit seinen harten Worten verletzt.

Aber nicht nur den Promis, zu denen auch er zählt, hat er einen harten Schlag versetzt, auch die Zuschauer, in denen der Gedanke geweckt wird, sich nach Reich-Ranicki „Lebenszeitverschwendung“ im Fernsehen anzuschauen, hat er verwirrt.

Nun gilt aber dem Moderator Thomas Gottschalk ein Lob. Er hat es wirklich verdient, Moderator zu sein. Trotz der schlechten Atmosphäre in Köln lockerte Gottschalk die Anspannung, indem er Reich-Ranicki ein öffentliches Diskussionsangebot mit dem Fernsehchef stellvertretend für die Prominenten und dem Sender vorschlug. Aber nicht nur das bewies seine Stärke als Moderator, auch neutralisierte er das Thema mit vorsichtigen Kommentaren, sodass sich beide Parteien von ihm Verstanden fühlten. Denn so eine spontane Reaktion von Thomas Gottschalk beweist echte Moderations–Erfahrung.

Aline Weinsheimer, Viersen, Erasmus-V.-Rotterdam-Gymnasium