Erst monatelanges Warten auf einen Termin, dann ist es soweit. Es ist 14 Uhr, Zeit los zu gehen, mein Termin wartet. Auf Drängen meiner Mutter hatte meine Zahnbürste nach wochenlanger Abwesenheit endlich mal wieder meine gelben Beisserchen gesehen. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass der Gelbton einen Tick heller geworden ist. Trotzdem überfällt mich beim Anblick die pure Panik: Hätte ich vielleicht doch jeden Abend putzen sollen? Zu Spät! Mit schlotternden Knien und klappernden Zähnen betrete ich die Zahnarztpraxis.
Kaum drinnen begrüßt mich so ein Claudia-Schiffer-Model – na klar: mit schneeweißen Zähnen. Einen Tick zu freundlich, denke ich. Ich frage mich, ob ihre gebleachten Zähne eine Drohung sein sollen und ich mich auf den Nahkampf vorbereiten muss.
Nachdem der Computer meine schöne weiss-grüne Krankenkassenkarte fast verschluckt hätte, sie dann aber doch in den letzten Zügen mit einem knabbernden „tschick“ wieder ausspuckt, packt mich die Blondine zu den anderen Opfern ins Wartezimmer. Neben mir sitzt ein Zahnspangenmonster. Ich denke mir: Mit solch einem Pferdegebiss möchte ich hier nicht raus kommen.
Aus dem Nachbarzimmer meine ich eine Kreissäge zu hören, mein Inneres zieht sich zusammen. Meine Mutter nimmt mich in den Arm und beteuert, dass es sich nur um einen klitzekleinen, mausezarten Bohrer handelt und nicht um eine Kreissäge.
Plötzlich ertönt ein grausames Quietschen gefolgt von meinem Namen aus den Lautsprechern. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Mutig schlage ich mir auf die Brust und springe auf. Kaum habe ich das Zimmer des Grauens betreten, kommt der Arzt ganz in Weiß, unscheinbar wie ein Engel getarnt herein. Doch ich habe ihn sofort durchschaut: Die Löcher und Höhlen in den Zähnen der Patienten sind sein Revier! Mit seinem riesigen Mundschutz kommt er mir fast bis vor meine Nase und heuchelt Interesse für den Inhalt meines Mundes.
Blödmann, denke ich, den Mundschutz hätte er sich sparen können, so furcht-baren Mundgeruch habe ich nicht! Ich rechne mit dem Schlimmsten – so wie seine riesigen Elefantenaugen in meinen Mund starren. Auf einmal reißt er (sich) seinen Mundschutz ab, strahlt mich mit seinen ekelhaft, widerlichen gelb-braunen Zähnen an und sagt: „Gratuliere, alles bestens in Ordnung.“
Über diese Aussage muss ich erst einmal nachdenken. Hat er wirklich bestens in Ordnung gesagt? Kaum zu glauben! Ich könnte ihn küssen, habe es jedoch wegen seinem faulriechenden Mundgeruchs gelassen.
Stolz wie Oskar verlasse ich die Praxis und werfe mit einem breiten frechen zähnezeigenden Grinsen der Claudia-Schiffer-Sprechstundenhilfe einen Blick zu. Noch einmal Kopf in den Nacken werfen und: geschafft – bloß raus hier!
Hella Dehnen, Kleve, Johanna-Sebus-Gymnasium