Matilde aus Chile (rechts) mit Interviewpartnerin Ellen (links)

„Ich habe mir so sehr Schnee gewünscht“

Matilde ist für zwei Monate Schülerin an einem Mettmaner Gymnasium. Sie kommt aus Chile, wo sie eine deutschsprachige Schule besucht. Im Interview erzählt sie von den Erfahrungen ihres Austausches.

Von Ellen Vieler, 8b, Konrad Heresbach Gymnasiums Mettmann

Ein mehrwöchiger Auslandsaufenthalt ist für ausländische Schüler ein spannendes und lehrreiches Erlebnis. So lernen die Jugendlichen fremde Spachen, neue Mitschüler, aber auch die fremde Umgebung kennen. In diesem Winter ist Matilde, eine 15-jährige Schülerin aus Chile, für zwei Monate in Mettmann, um genau dieses zu erleben: sich in einem komplett anderen Umfeld zu bewegen, die Kultur vor Ort kennenzulernen, zu schmecken, zu riechen, anzufassen, die Sprache zu begreifen. Dabei ist Matilde auch Botschafterin ihres Landes und ihrer Kultur.

Wie lange bist Du schon in Deutschland?
Ich bin am Nikolaustag im letzten Jahr nach Deutschland gekommen. Seitdem wohne ich bei meiner Gastfamilie in Mettmann. Ich selbst bin 15 Jahre alt, in der deutschen Familie leben ebenfalls Kinder, ein gleichaltriges Mädchen und ihre beiden Brüder im Alter von dreizehn und elf Jahren. Wir verstehen uns alle sehr gut und wir habe schon viel gemeinsam erlebt.

Was habt ihr denn bisher schon zusammen unternommen?
Von Montag bis Freitag besuche die zehnte Klasse des Heinrich-Heine Gymnasiums in Mettmann. Am Wochenende unternimmt meine Gastfamilie viel mit mir, um mir ihre Heimat zu zeigen. Wir waren gemeinsam in Köln und Düsseldorf, im Duisburger Zoo, aber auch in der Natur im Neandertal und dem Bergischen Land mit Schloss Burg. Wir sind zusammen Schlittschuh gelaufen und hatten viel Spaß in einem Freizeitzentrum in Hilden. Zusammen mit der Tochter meiner Gastafamilie habe ich den Tanzkurs besucht. In der letzten Woche sind wir gemeinsam auf den Abschlussball in Ratingen gegangen. Ganz besonders hat mir auch der Tag in Amsterdam gefallen. Was ich auf jeden Fall noch sehen möchte ist die Wuppertaler Schwebebahn. Die ist einmalig! Außerdem habe ich deutsche Traditionen zu Weihnachten und Sylvester erleben dürfen. Hier werden die Feste ganz anders als in Chile gefeiert.

Kannst Du ein Beispiel geben, was so anders in Deutschland ist?
Zum Beispiel feiern wir in Chile mit anderen Traditionen Sylvester. Wir dürfen leider keine Feuerwerkskörper abschießen, aber bei uns ist es auch sehr fröhlich. Wir feiern mit der Familie und mit vielen Freunden. Dabei haben wir viele Bräuche, die es hier nicht gibt. Frauen tragen gelbe Unterwäsche, das bringt Glück in der Liebe. In das Sektglas, mit dem wir um Mitternacht antstoßen, legen wir eine Goldmünze, weil auch das für Glück und Reichtum im neuen Jahr sorgen soll. Wer im neuen Jahr gerne verreisen möchte, geht mit einem Koffer um den Häuserblock um Mitternacht. Genauso wie in Spanien haben wir den Brauch, zwölf Weintrauben zu essen – mit jedem Glockenschlag eine, damit sich im neuen Jahr Wünsche und persönliche Projekte erfüllen.

Wie bist du auf die Idee gekommen, an einer solchen Sprachreise teilzunehmen?
In meinem Gymnasium fahren alle Schüler der 10. Klasse für drei Monate nach Deutschland. Ich besuche die deutsche Schule Karl Anwandter in Valdivia im Süden Chiles. Dort hat die deutsche Sprache ein besonderes Gewicht. Ab Kindergartenalter sprechen wir hauptsächlich Deutsch. Während unseres Aufenthaltes in Deutschland bleiben alle Schüler in verschiedene Gastfamilien, verteilt über ganz Deuschland. Eine Freundin ist auch hier nach Mettmann gekommen. Im Anschluss machen wir eine gemeinsame Rundreise in Deutschland mit der ganzen Jahrgangsstufe. Wir fahren nach Potsdam, Berlin, Dresden, Hamburg und München.

Wo wohnst du in Chile?
Ich komme aus der kleineren Stadt Valdivia in Chile, das ist eher im Süden des Landes. Derzeit haben wir Sommer, jetzt ist es dort circa 30 Grad Celsius warm. Im Winter ist es zwar kälter, es regnet dann viel. Hier in Mettmann durfte ich im Januar Schnee erleben. Wir haben natürlich eine Schneeballschlacht veranstaltet und einen großen Schneemann gebaut. Das habe ich mir für meinen Deutschlandaufenthalt so sehr gewünscht.

Was hat dich bisher in Deutschland am meisten beeindruckt?
Die Deutschen sind so gut organisiert. Zum Beispiel haben die Bahnen, die Busse und die S-Bahnen einen Fahrplan; für euch ist das selbstverständlich, für uns in Chile nicht. In Chile gibt es eigentlich nur Busse, keine Bahnen. Nur in der Hauptstadt Santiago de Chile fährt eine Untergrundbahn, aber wir kenen kein Bahnsystem über lange Strecken.

Was ist der größte Unterschied zu Chile?
Die Menschen in Chile sind ganz anders in ihrem Temperament. Chilenen sind viel lauter, lachen viel und sind sehr fröhlich. Die Lebensart unterscheidet sich sehr zu der in Deutschland. Außerdem ist das Schulsystem in Chile anderes organisiert. Wir haben jeden Wochentag Unterricht von 7.50 bis 13.30 mit zwei kurzen Plausen, dann gibt es eine lange Pause zum Mittagessen, anschließend ist wieder Unterricht bis 16 Uhr. Hier am Heinrich-Heine-Gymnasium gibt es zwischendurch immer wieder Silencium für die Hausaufgaben.

Was isst du hier am liebsten?
Ich habe im Dezember auf dem Mettmanner Blotschenmarkt Currywurst gegessen, Brezeln sind auch sehr lecker, die sind in Chile unbekannt.

Was vermisst du derzeit am meisten?
Natürlich vermisse ich meine Familie und meine Freundinnen, aber wir haben regelmäßigen Kontakt per Skype. Derzeit sind Sommerferien in Chile: sie dauern drei Monate von Dezember bis Februar. Diese Ferien verpasse ich daher in diesem Jahr.

Würdest du einen Auslandsaufenthalt weiterempfehlen?
Auf jeden Fall ist ein solcher langer Auslandsaufenthalt etwas ganz Wunderbares, um die Menschen und die andere Kultur zu entdecken. Es macht wirklich Spaß und ich würde es jedem empfehlen, egal in welches Land man dann geht!

Welche Dinge hast du Deiner Gastfamilie gezeigt?
Natürlich kennen Deutsche die chilenische Kulur nicht so gut. Das fängt beim Essen an: heute backe ich mit meiner Gastmutter chilenische Teigtaschen. Hoffentlich gelingen sie mir!

Titelbild: Matilde (rechts) aus Valdivia, Chile, und Ellen aus Mettmann (c) Susanne Odenthal