Gesundheit – Ein Leben nach dem Zwang

„Schatz, unser Kind wäscht sich schon zum 20. Mal hintereinander die Hände! Ist das noch normal?“, fragt Frau R. ihren Mann. Das Elternpaar macht sich große Sorgen um ihre Tochter: Sie ist zurzeit das Gesprächsthema Nummer eins.

Nein, sich so oft hintereinander die Hände zu waschen, ist nicht normal. Die Tochter Anna R. (13) hat mit der Zeit einen Waschzwang entwickelt. Bei Kindern ist die häufigste Ursache für so eine Zwangsstörung das Verlangen nach Aufmerksamkeit. Des Weiteren ist der starke Wunsch vorhanden, eine mögliche Trennung der Eltern zu vermeiden.

Zwangsstörungen sind psychische Störungen. Es besteht für die Betroffenen ein innerer Drang, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun. Man erlebt diesen Zwang als sinnlos und übertrieben. Außerdem setzen sie sich unter Druck, um kein Unheil anzurichten oder in eine peinliche Situation zu gelangen. Der Betroffene löst seine innere Anspannung, indem er seinem Zwang nachgeht. Die Zwangshandlungen können nicht zufrieden stellend beendet werden, deswegen müssen sie ständig wiederholt werden.

Stellt man fest, dass man einen Gedanken oder eine Handlung immer wiederholt und dabei die Kontrolle über die Häufigkeit verliert, sollte man Kontakt zu einem Psychologen aufnehmen. Dieser bekämpft nicht direkt den Zwang, sondern geht in folgenden Schritten vor:

Am Anfang nimmt er den Druck aus der Situation. Als zweites zwingt er seinen Klienten nicht, Veränderungen vorzunehmen, sondern rät ihm vorerst, alles beim Alten zu belassen. Im nächsten Schritt versucht der Psychologe, den Grund für die Zwangsstörung herauszufinden. Dies bedeutet, der Psychologe befragt seinen Klienten zu Situationen aus der Kindheit. Als nächstes muss er herausfinden, welche Funktion der Zwang im Leben des Betroffenen eingenommen hat. Es sollte außerdem besprochen werden, wie die Zukunft ohne die Zwangsstörung aussieht.

Kann der Klient sich ein „Leben nach dem Zwang“ nicht vorstellen, so wird er gar nicht erst versuchen, ihn loszuwerden. Der nachfolgende Punkt ist es, daran zu arbeiten, den Stress in anderen Situationen auszuhalten und nicht in seinen Zwang zurückzufallen. Um dies zu schaffen, ist in den meisten Fällen ebenso ein Selbstbewusstseinstraining notwendig. Hierbei werden Dinge, die der Klient besonders gut kann, hervorgehoben. Sie sollen die negativen Verhaltensmuster ausgleichen. Nach dieser Vorgehensweise versucht ein Psychologe, seinem Klienten zu helfen.

Auch wenn nicht jeder Zwang kurzfristig geheilt werden könne, stellt die Duisburger Diplom-Psychologin Irene Schnittker klar: „Jeder Zwangserkrankte hat eine Chance auf Heilung.“ Somit leben viele Leute ihr ganzes Leben lang damit. Die Psychologin sagt auch, niemand sei zu 100 Prozent perfekt und jeder hätte seine Macken. Man müsse nur lernen damit umzugehen.

Aus diesem Grund sollte sich auch niemand Sorgen machen, wenn mal nicht alles so klappt, wie es sollte. Und wenn man mal ehrlich ist, einen kleinen „Zwang“ hat doch jeder!

Larissa Neumann, Duisburg, Franz-Haniel-Gymnasium