Ein Tag in der Kinder- und Jugendrheumatologie – Rheuma – das haben doch nur alte Leute?!

Es ist 7:30 Uhr. Ich laufe durch den Flur der Kinderstation des St.-Josef-Stifts in Sendenhorst, einer Klinik für Rheumatologie. Heute bin ich mit Lena verabredet, einer 13-jährigen Patienten, die seit neun Jahren regelmäßig hierher kommt.

Lena sitzt mit drei weiteren Zimmerbewohnerinnen am Frühstückstisch. Die Schwestern wecken schon früh die jungen Patienten, messen Fieber, fühlen den Puls und bringen Eis zum Kühlen. „Das Kühlen der Gelenke ist wichtig“, erklärt Lena. „Wir bekommen Eimer mit Beuteln, die mit Eis gefüllt sind. Ich muss zum Beispiel mein Knie kühlen. Die Kälte lindert die Entzündung und betäubt den Schmerz. Zum Schutz der Haut lege ich Tücher über meine Knie und drücke die Eisbeutel an das Gelenk.“
Lena nimmt mich mit zum Deutschunterricht, was mich etwas irritiert, denn ich bin ja in einem Krankenhaus und nicht in der Schule. „In unserer Schule werden alle schulpflichtigen Kinder und Jugendliche unterrichtet, die wegen ihres Klinikaufenthalts nicht am Unterricht ihrer Heimatschulen teilnehmen können“, erläutert die Deutschlehrerin der Klinik. Nach einer halben Stunde geht Lena zum nächsten Termin in die Kältekammer. Wir ziehen Ohrenwärmer, Handschuhe und einen Mundschutz an. Ich habe ein mulmiges Gefühl, als ich durch die schwere Eistür in einen kleinen Raum gehe. Wir springen umher, denn es ist sehr kalt. Nach kurzer Zeit werden unsere Haare und Wimpern weiß und die Kälte brennt auf der Haut. Ohne Bewegung hält man es nicht aus. Nach drei Minuten verlassen wir die eisigen Räume. „In der Vorkammer sind es -40 bis -60 °C , während es in der Hauptkammer sogar -100 bis -120 °C kalt ist. Durch die Kälte entsteht eine Schmerzlinderung und Entzündungshemmung. Außerdem wird die Durchblutung angeregt und die Muskeln werden entspannt“, erklärt eine Mitarbeiterin.
Noch etwas steif von der Kälte begleite ich Lena zur Krankengymnastik. In einem Regal an der Wand liegen verschieden große Gymnastikbälle, von denen die Physiotherapeutin auch gleich einen herunternimmt. „Ich mache mit Lena Übungen zum Muskelaufbau.“ Nach ein paar Übungen geht es auch schon weiter zur Schmerz- und Krankheitsbewältigung, wo schon mehrere Kinder um einen Tisch sitzen. „Hier spricht eine Psychologin mit uns. Meistens geht es um unsere Erfahrungen mit Rheuma, Schmerzen oder Stress, aber auch um Mobbing in der Schule.“
„Als ich vier Jahre alt war, hat es angefangen“, erzählt mir Lena. „Erst hatte ich nur Schmerzen im Sprunggelenk, dann wurden es immer mehr. Schließlich waren meine Gelenke stark entzündet. Ich bekam einen heftigen Hautausschlag und Schmerzen in allen Muskeln. Dazu kamen Fieberschübe. Wir waren bei vielen Ärzten und als ich mich nicht mehr bewegen konnte, kamen sie zu mir nach Hause. Schließlich musste ich ins Krankenhaus. Nach sechs Wochen, unzähligen Untersuchungen, Blut- und Knochenmarksentnahmen stand meine Diagnose fest: Juvenile idiopathische systemische Arthritis, auch Morbus Still genannt, Rheuma.“
Ich begleite Lena zum Seminar „Rheuma und Behandlung“. „Was ist Rheuma eigentlich?“, darum soll es in der heutigen Stunde gehen. „Circa 20.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland haben Rheuma. Woher die Erkrankung kommt, weiß man nicht. Oft wird sie durch einen Infekt ausgelöst, jedoch nicht verursacht. Meistens verläuft die Erkrankung in Schüben, das heißt, dass es den Patienten eine Weile ganz schlecht geht und die Gelenke, Sehnen etc. entzündet sind. Dann gibt es aber auch wieder Zeiten, in denen man sich gesund fühlt.“
Nach dem ganzen Hin und Her gönnt sich Lena eine Auszeit im Spielzimmer. Dort ist eigentlich immer etwas los. Auf die nächste Therapie freut sie sich schon den ganzen Tag: Entspannungstraining. Wir gehen in den Entspannungsraum. Es gibt ein warmes Wasserbett, viele Kissen, Sitzsäcke, eine Höhle, eine Wassersäule mit aufsteigenden Luftblasen mit Farbwechsel, Polster und Matten auf dem Boden, alles in Sonnengelb. Das Licht ist gedämmt und ein Beamer produziert langsam verlaufende, drehende Formen an die Wand. Dabei läuft leise entspannende Musik. Nun legen sich alle bequem irgendwo in den Raum. Der Psychologe fängt an mit ruhiger tiefer Stimme eine Geschichte zu erzählen. Nichts Spannendes, eine Traumreise. Ich merke, wie das Gewusel verstummt und auch Lenas Atem gleichmäßig ruhig wird. Dann fallen auch mir die Augen zu.
 

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