Ist es gerecht, dass viele Abiturienten, die ein bestimmtes Fach studieren möchten, in eine andere Stadt oder sogar in ein anderes Bundesland ziehen müssen, nur weil ihr NC (Numerus Clausus) in NRW nicht ausreicht?
Ist es gerecht und auch sinnvoll, dass Begabung, Eignung und auch Berufung weniger berücksichtigt werden als die Abiturnote? Diese Fragen stellen sich vielen Abiturienten.
Ich habe es in meiner eigenen Familie erlebt. Mein Bruder hatte nach seinem Abitur den Wunsch, in Düsseldorf zu bleiben und BWL (Betriebswirtschafslehre) zu studieren. Trotz einer guten Abi-Note hat er hier keinen Studienplatz bekommen, und auch in vielen anderen Städten in NRW wurde er abgelehnt.
Um trotzdem BWL studieren zu können, musste er bis nach Bamberg ziehen. Umzug nach Bayern, teures WG Zimmer, 450 Kilometer entfernt von der Familie, den Freunden, der Freundin und den Nebenjobs und hohe Studiengebühren sind nur einige negativen Begleiterscheinungen.
Seit drei Semestern versucht er vergeblich, nach Düsseldorf zu wechseln, aber bei einem NC von 1,5 und immer neu nachrückenden Abiturienten ist dies kaum möglich. Der kommende doppelte Abiturjahrgang wird die Situation noch verschlechtern. Oft wird beklagt, dass es viele Studienabbrecher gibt. Vielleicht spielen genau diese Fakten dabei eine große Rolle.
Warum ist in so vielen Studiengängen immer nur der Abiturdurchschnitt ausschlaggebend? Eignung, Begabung und Berufung bleiben oft völlig unberücksichtigt. Jeder, der ein „Einser-Abitur,“ hat könnte theoretisch auch Medizin studieren. Aber ist er dafür auch immer geeignet?
In einem anderen Fall wusste eine Abiturientin schon immer, dass sie Grundschullehrerin werden möchte. Der Wunsch, sich mit Kindern zu beschäftigen, äußerte sich schon darin, dass sie während ihrer Schulzeit bereits freiwillig in unteren Klassen Nachhilfe angeboten hat, ein mehrwöchiges Praktikum in einer Grundschule absolvierte und nach dem Abitur in einer Düsseldorfer Grundschule Förderunterrichtsgruppen leitet. Aber einen Studienplatz auf Lehramt in Düsseldorf oder Umgebung hat sie nicht bekommen.
Müssten nicht Abiturientinnen und Abiturienten bei der Studienvergabe in ihrer eigenen Stadt bevorzugt berücksichtigt werden? Sollten nicht auch in vielen Fällen Eignungstests ausschlaggebend sein, ob ein Studienplatz vergeben wird, wie es in Sport-Studiengängen oder im künstlerischen Bereich schon lange üblich ist?
Und was den ersten Fall betrifft: Ich hätte meinen Bruder auch gerne in der Nähe.
Moritz Konkol, Düsseldorf, Cecilien-Gymnasium