Interview mit Jugendrichterin W. Sarin – „Tötungen gehen mir nah“

Drei Schüler haben ein Interview mit Jugendrichterin W. Sarin geführt.

War der Beruf der Richterin schon immer Ihr Traumberuf und gefällt er Ihnen noch?

Sarin: Ja, der Beruf gefällt mir. Traumberuf kann man eigentlich nicht so sagen, man hatte einfach nicht so konkrete Vorstellungen von dem Beruf, und von Träumen halte ich nicht ganz so viel. Es setzt ja eigentlich voraus, dass man Examen hat und dabei hilft das Träumen einfach nicht (lacht).

Gehen Ihnen die Fälle manchmal nah oder haben Sie manchmal Mitleid?

Sarin: Mir gehen die Fälle schon oft nah, aber man muss lernen, nach einer gewissen Zeit Abstand zu bekommen, weil man sonst mit diesem Beruf nicht leben kann. Schlimme Erlebnisse hat man beispielweise bei fahrlässigen Tötungen, Körperverletzungen, wenn es brutal wird, was man menschlich nicht nachvollziehen kann. Diese Fälle gehen mir dann auch nah.

Stehen Sie da voll hinter dem deutschen Rechtssystem oder würden Sie manchmal lieber andere und eventuell sogar bessere Gesetze vertreten?

Sarin: Es gibt sicher ab und zu Fälle, bei denen man mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, aber da muss man sehen, dass man in einer Demokratie lebt und die Gesetze auch vertreten muss, die das Parlament erlassen hat. Und wenn man der Meinung ist, dass das Gesetz falsch ist, dann muss man das dem Verfassungsgericht vorlegen. Das kommt auch gelegentlich vor, das hat es bei mir auch schon gegeben.

Welche Bereiche füllen die Jugenddelikte am meisten aus?

Sarin: Ich bearbeite Jugendstrafsachen als Einzelrichter. Das heißt, jemand wurde angeklagt, bei dem normalerweise noch keine Strafe festgelegt wurde. Das heißt, das sind meistens jugendliche Heranwachsende, die noch nicht mehrfach in Erscheinung getreten sind. Es gibt aber auch Raubüberfälle, schwere Körperverletzungen oder Erpressungen, die dann auch unter schwerere Kriminalität fallen. Was häufig vorkommt, ist fahren ohne Fahrerlaubnis (schmunzelnd), frisierte Roller, Diebstahl und viele Körperverletzungen, die dann auch in der Schule stattfinden.

Unter 14-Jährige kann man ja nicht bestrafen. Wie ist es, wenn bei diesen häufiger etwas vorkommt ?

Sarin: Unter 14 ist jemand noch nicht strafmündig. Ddas heißt, er kann nicht bestraft werden, und es sind Maßnahmen durch das Jugendamt, die dann angezettelt sind. Wenn die Eltern die Kinder vernachlässigen und die werden deshalb strafmündig, und dann kann es sein, dass die Kinder dort weggenommen werden. Aber das ist dann nicht Sache des Richters, sondern des Jugendamtes oder des Familienrichters.

Stellen solche Entscheidungen einen dann manchmal unter Druck?

Sarin: Ja, manche Fälle belasten einen schon ziemlich, teilweise sogar in der Freizeit, wenn man Spazieren geht oder zu Hause sitzt. Dann lässt man sich alles nochmal durch den Kopf gehen.

Andre Gärtz, Markus Dyckmans und Tobias Scholten, Kleve, Johanna-Sebus-Gymnasium