verzweifeltes Mädchen am Handy

Cybermobbing – Gefangen im Teufelskreis

Vor allem junge Leute sind von Cybermobbing betroffen. Sara ist eine von ihnen. Unsere Autorin hat mit ihr über das belastende Thema gesprochen.

Von Vivienne Freidl, 8c, Gymnasium am Stadtpark Uerdingen

Sara öffnet die Tür ihrer kleinen Dachkammer, sieht mich mit ihren blauen Augen an, und ein Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Doch es erreicht ihre Augen nicht. Für einen kurzen Augenblick sieht man den Schmerz und die Trauer in ihnen aufblitzen. Aber dann verschließt sie sich wieder.

Wir setzen uns auf ihr Bett, und sie fängt leise an zu sprechen: „Es fing alles vor eineinhalb Jahren damit an, dass mich mehrere Personen auf ­Instagram angeschrieben haben.“ Sie erzählt, dass diese Personen am Anfang sehr nett und freundlich gewesen seien. Aber je häufiger sie Kontakt gehabt hätten, desto komischer seien sie geworden. Sie fragte ihre neuen Internetfreunde, ob alles okay sei. Aber sie behaupteten, dass Sara Gerüchte über sie verbreite und falsche Sachen erzählen würde. Sie versuchte sich zu verteidigen, aber ­hatte damit keinen Erfolg.

Es gab keinen Weg raus

Eine kleine Träne blitzt in den sonst so strahlenden Augen auf. Mit erstickter Stimme sagt sie: „Die Anschuldigungen der Personen wurden immer schlimmer, und irgendwann gingen die Beleidigungen los.“ Sie wurde als „Schlampe“ und „Hurentochter“ bezeichnet und einer Whatsapp-Gruppe hinzugefügt, in der nur Leute waren, die sie beleidigten. „Das Schlimmste war und ist, dass meine angeblich beste Freundin am ­meisten mitmischte“, erzählt sie. Und ­ihre ­Augen füllen sich mit Tränen.

Es gab kein Entkommen. Jeder Versuch, aus der Gruppe auszutreten, scheiterte. Sara wurde immer wieder hinzugefügt und weiterhin beleidigt. Immer mehr von ihren angeblichen Freunden gesellten sich zu den Mobbern. ,,Am Anfang waren es nur zwei oder drei Leute, aber zum Ende hin waren es um die zehn.“

Die Mobber verbreiteten weiter Gerüchte – zum Beispiel, wie falsch sie sei. Statt sich dagegenzustellen, machten ihre Freunde mit. „Ich war allein, ganz allein“, fasst sie ihre Situation zusammen. Sie zog sich vollkommen von der Außenwelt zurück. Ihre Familie bekam damals gar nichts davon mit.

Statt Hilfe zu suchen, stürzte Sara immer weiter ab. In der Schule wurden ihre Noten immer schlechter. Meistens saß sie in der Pause weinend auf der Toilette. Sie löschte alle Social-Media-Accounts auf ihrem Handy. Doch die Mobber erreichten sie weiterhin per E-Mail. „Ich erhielt Nachrichten wie ‚Geh dich umbringen‘, ‚Vergrabe dich‘, ‚Dich wird eh keiner vermissen‘“, berichtet sie.

Neue Nummer, neue Schule

„Ich habe lange gebraucht, um mich nur ein bisschen zu öffnen“, sagt sie. Nach über einem Jahr vertraute sie sich ihrer Mutter an: „Sie war geschockt und hat angefangen zu weinen.“ Von da an wendete sich alles zum Guten: Ihre Mutter redete mit der Schule, nahm das Handy an sich und sorgte dafür, dass ihre Tochter eine neue Nummer erhielt. Sara wechselte sogar die Schule, um von ihren angeblichen Freunden Abstand zu bekommen. Mittlerweile besucht sie einen Psychologen, der ihr hilft, die vergangenen Erlebnisse zu verarbeiten.

Vor allem ihr Hund hat ihr in der schweren Zeit des Mobbings sehr geholfen: „Wir sind viel draußen gewesen, und er hat mir wieder die positiven Dinge des Lebens gezeigt.“ Sie findet an ihrer neuen Schule neue Freunde, und das Mobbing gehört der Vergangenheit an.
„Warum sie das getan haben, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass sie genauso viele Probleme haben wie ich. Vielleicht wollten sie nur davon ablenken. Ich versuche, heute das Leben positiver zu sehen, und mache um Personen, die mir schaden wollen, einen großen Bogen.“

 

Titelbild: Fotolia/Antonioguillem