„Dünn?! Ich bin ja sowas von fett!“ lautet die Reaktion der 14 jährigen Alice L. (Name geändert). Aber sie ist nicht allein. Viele Jugendliche leiden unter Magersucht (Anorexie) und sie denken das Gleiche über sich. Für die meisten ist es nämlich so, als wäre ihr Spiegelbild doppelt so breit wie es wirklich ist. „Ich umgehe einfach immer den Spiegel. Ich kann es nicht ertragen, mich dort zu sehen!“
Selbst das kleinste Anzeichen von Fleisch an ihrem Körper vermittelt ihnen: „Der ganze Speck muss ganz schnell runter!“ Egal, ob sie sich dafür den Finger in den Hals stecken oder pro Tag nur einen Apfel essen. Sie sind ständig damit beschäftigt, ans Abnehmen zu denken. Ich fragte Alice nach ihrem Gewicht. Sie verschwieg dieses und meinte, sie sei zu schwer. Außerdem fühlt sie sich in ihrem eigenen Körper fremd. „Ich habe das Gefühl, dass ich in meinem Körper eingesperrt bin.“
Alle diese betroffenen Jugendlichen wurden aber nicht ohne Grund magersüchtig. Es gibt viele Ursachen. Der Drang, eine Leistung zu erbringen und ihr niedriges Selbstbewusstsein sind fast immer entscheidende Faktoren für den Weg in die Magersucht. Eine weiterer Grund, immer weiter abzunehmen, kann ein Hobby sein (z.B Ballett). Mädchen, die Ballett als Leistungssport machen, werden manchmal dazu gezwungen, bis zum Untergewicht abzunehmen, um auf der Bühne schlank und elegant auszusehen.
Eine Anorexie kann aber auch viele gesundheitliche Schäden mit sich tragen: Störungen bei der körperlichen Entwicklung, Organschäden, Kreislaufprobleme, Haarausfall; sowie brüchige Knochen und Fingernägel.
Jugendliche, die unter Bulimie (Ess-Brech-Sucht) leiden, haben Verdauungsprobleme und Zahnschäden, da sie sich nach jedem Essen aus schlechtem Gewissen absichtlich übergeben.
Alice ist ständig damit beschäftigt, Kalorien zu zählen statt Beziehungen aufzubauen. Sobald sie ein Gericht über 200 Kalorien essen muss, gerät sie in Panik und gleichzeitig in einen Angstzustand. „Ich habe Angst, da ich meinen Feind zum Leben brauche“, sagte sie mir.
Magersüchtige sind stolz auf ihr Untergewicht. Doch sind sie sich auch bewusst, wie sehr ihr Körper darunter leidet. „Ich will irgendwann aufwachen und wieder normal sein.“ Alice und andere Magersüchtige sind körperlich und seelisch total am Ende. Die körperlichen Folgen können sogar zum Tod führen.
Alice erzählte mir: „Als meine Eltern merkten, dass ihr Kind magersüchtig ist, versuchten sie, mir zu helfen. Auch sie waren seelisch am Ende. Sie steckten mich für drei Wochen ins Krankenhaus, wo mein Zustand stabilisiert wurde. Doch die Magersucht verschwindet nie ganz. Sie hinterließ Narben, die mich prägten.“
Magersucht ist eine Qual für alle Betroffenen. Es ist ein ständiger Kampf mit dem eigenen Körper und der eigenen Seele. Sie werden „eingedrückt“ in eine einsame Welt der Depressionen und zum Außenseiter. Obwohl therapeutische Hilfe meistens notwendig ist, liegt die Heilung der Betroffenen auch sehr stark in ihren eigenen Hände.
Lara Schürmann, Düsseldorf, Erzb. St. Ursula-Gymnasium