Pelzige Diebe, fliegende Edelsteine, graue Eminenzen – Tiere suchen ein Zuhause

Es ist die Nacht des randalierenden “ Krachmachers „. Rastlos streift die circa 70 – 85 cm lange buckelige, pelzige Gestalt mit ihrer halbsohlen – bis sohlenartigen Gangart wie eine tollpatschige Ballerina auf allen Vieren im Lichtkegel des Bewegungsmelders an der Hausmauer entlang.

Seine schwärzlich – graue, kontrastreiche Fellzeichnung, sein 20 – 25 cm langer, geringelter Schwanz und vor allem seine Gesichtsmaske entlarven den Übeltäter, der Schlag auf Schlag über die herumstehenden Gelben Säcke herfällt, sie aufreißt, den Unrat durchwühlt, ihn lautstark um sich schmeißt, hier und da kratzt und genüsslich schmatzt. Wie lecker kann Abfall sein!

„Ein Waschbär auf Futtersuche. Habe ich es mir gedacht. Als ich vor ein paar Tagen die Pfotenabdrücke am Teich und die einem Kleinhundkot ähnelnde Losung im Garten entdeckt habe, habe ich diesen Kerl schon in Verdacht gehabt“, flüstert mein Vater.

Seit der ersten in den 60er Jahren nach Deutschland stattfindenden Einfuhr der vor circa 2,5 Millionen Jahren in Mittelamerika entstandenen maskierten Raubtiere haben die putzigen Pelztiere vor allen Dingen in den Dörfern und Städten von Südniedersachsen und Nordhessen, wobei Kassel mit 150 bis 300 Bären pro km² Stadtfläche führend ist, eine neue Heimat gefunden.

In NRW ist die Populationsdichte von Waschbären nicht so groß. In Leverkusen „wurden seit 1996/97 vereinzelt Tiere von Jägern tot aufgefunden und als so genanntes “ Fallwild “ gemeldet (z. B. 2001/02 zwei Tiere) „, bestätigt Herr Dorn von der Geschäftsstelle der Kreisjägerschaft Leverkusen.

Die Stadt ist jedoch der Lebensraum, wo der Abfallkenner und Allesfresser ideale Lebensbedingungen findet. Warum soll der Kulturfolge Waschbär auf die Jagd gehen und nicht der Einladung an den gedeckten Tisch mit unserem nahrhaften Müll folgen?

Wohnungssuche ist für den Schmarotzer auch kein Problem. Die meist kleinräumig strukturierte Stadt bietet ihm mit ihren Grünflächen, mit den Gartenanlagen in den Vorstadtsiedlungen und Stadtvierteln, den Gartenhäuschen und Garagen herrliche, kuschelige Rückzugsmöglichkeiten.

Und da auch er nicht gerne alleine, sondern mit Artgenossen zusammenlebt, gründet er mithilfe von Duftmarken im Handumdrehen eine WG. Um Familienzuwachs und Arterhaltung braucht sich Familie Waschbär keine Sorgen zu machen.

Ganz anders sieht das bei einem an Farbenpracht nicht zu übertreffenden, spatzengroßen Gast an unserem heimischen Teich aus. Die naturnahen Lebensbedingungen und die natürliche Gewässerfauna locken den meergrünen, türkisblauen, zimtrostroten, glitzernden Edelstein der Lüfte, den Eisvogel. Der in Europa und großen Teilen Asiens vorkommende und mit den unterschiedlichsten Namen versehene zum Vogel des Jahres 1973 und 2009 gekürte pfeilschnelle Meisterfischer lauert regelmäßig auf einem als Ansitzwarte dienenden Baumstamm an dem von Röhricht, Ufergehölzen, Büschen und Bäumen umgebenen, klaren Gartenteich auf seine Opfer; und wirklich – er hat einen Leckerbissen erspäht: „Pass auf, gleich schlägt er zu! „, sage ich zu mir selbst.

Im Sturzflug schießt der sagenumwobene, blaue Blitz begleitet von einem hohen “ tjiih “ mit schwirrendem Flügelschlag bis zu 60 cm tief ins Wasser. Innerhalb von Sekunden taucht der flinke Fischjäger mit seiner Beute wieder auf, lässt sich mit seinen lackroten Füßen auf seinem Stammplatz nieder und stillt seinen Hunger, der täglich 15 – 30 Gramm Nahrung einfordert. „Des kleinen Räubers Freud‘, ist des stolzen Fischbesitzers Leid „, beklagt mein Vater. „Na gut. Er muss ja auch leben.“

Kann der Gartenteich dem Höhlenbrüter auch keine Brutwände bieten, die zur Aufbesserung des derzeit in Deutschland geschätzten Bestands von etwa 5600 bis 8000 Brutpaaren unbedingt erforderlich sind, so profitiert der Eisenvogel immerhin von dem breiten Nahrungsspektrum an Fischen, Fröschen und Kaulquappen. Er muss aber jederzeit mit einem hartnäckigen, hungrigen Konkurrenten rechnen: dem heimischen grauen Fischreiher. Wenn sich die unter Artenschutz stehende graue Eminenz mit ihren langen, streichholzkurzen Beinen am Teich niederlässt und ihren schmalen, flachen Kopf auf dem sehr langen, dünnen Hals hin- und her bewegt, beansprucht sie die Hoheitsrechte. Bedächtig und mit äußerster Vorsicht watet sie umher und durchspäht beutegierig das vor ihr liegende “ Schlaraffenland „.

Der lange Hals ist tief eingezogen, der Kopf zwischen den Schultern eingeklemmt. Plötzlich schießt der Kopf des Reihers mit dem langen Schnabel wie eine Lanze auf sein Opfer zu. „C’est la vie!“, seufze ich. Jeder ist seines Glückes Schmied: Entweder man passt sich an die neuen Lebensbedingungen an wie der Waschbär, der Eisvogel und der Fischreiher oder man bleibt auf der Strecke. Die intensiv genutzten Agrargebiete bieten leider nur noch wenigen Tierarten Lebensraum. So müssen viele Wildtier- und Vogelarten die Flucht nach vorne in die Stadtgebiete, wo sie ein reiches Nahrungsangebot und geschützte Rückzugsorte finden, antreten. Die Gartenbesitzer, die etwas Mut zur Wildnis in der Stadt zeigen, kommen nicht nur in den Genuss, mit besonderen Tieren Bekanntschaft zu machen, sondern fördern auch ihren Fortbestand.

Peggy Denda, Leverkusen, Marienschule