Hat die deutsche Fernsehkultur ihren Tiefpunkt erreicht oder gibt es noch unentdeckte Abgründe, die sich mit maximalen Einschaltquoten rechtfertigen lassen?
Diese Frage hat sich allem Anschein nach auch der als „Literaturpapst“ geltende Marcel Reich-Ranicki gestellt und die Annahme des Ehrenpreises des deutschen Filmes für sein Lebenswerk kurzerhand verweigert. Verständlich oder zumindest nachvollziehbar erscheint sein Auftritt, wenngleich zugegebenermaßen seine Reaktion sehr heftig und als sicherlich zu undifferenzierte Generalabrechnung bewertet werden kann.
Zweifellos scheint die deutsche Kultur bei der Planung des täglichen Fernsehprogramms immer mehr in den Hintergrund gedrängt zu werden. So wird das Programm von niveaulosen Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder schier unendlichen Kochduellen, kurz gesagt von nicht ernsthaft Intelligenz fordernden Sendungen geflutet, die einzig und allein vorhanden sind, um möglichst hohe Einschaltquoten zu erreichen.
Sind die Kultur und die damit verbundene Bildung nicht wichtiger als die vermeintliche platte Unterhaltung? Was wissen wir denn noch über die deutsche Kultur oder über literarische Themen? Mittlerweile weiß doch so gut wie jeder Zweite, welche Kandidaten an Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ teilnehmen, aber kaum einer weiß, was am Samstag Abend auf arte oder ähnlichen Bildungssendern lief.
Marcel Reich-Ranicki verlangt schließlich nicht, dass das deutsche Fernsehprogramm nur noch aus Bildungssendungen besteht, er plädiert aber unübersehbar für eine Qualitätsprüfung, die nicht von den zu erwartenden Einschaltquoten abhängt. Gleichzeitig merkt er an, dass anspruchsvolle Fernsehsendungen nicht unbedingt den Verzicht auf jeglichen Spaßfaktor beinhalten müssen. Aber die deutsche Comedy besteht mittlerweile mehrheitlich aus Witzen, die weniger Hintergrund-wissen oder Bildung als Klatschspaltenwissen erfordern.
Dennoch lässt der von Reich-Ranicki gewählte Rahmen seine Kritik etwas inkonsequent erscheinen, da er sich des von ihm so attackierten Unterhaltungsprogramms bedient. Hinzu kommt, dass er mit seiner Auftrittszusage als Kenner des Fernsehens eine Vorbereitungszeit für seine Rede hatte, die eine differenziertere Stellungnahme zur Folge hätte haben müssen.
Mit seinem vernichtenden, generellen Urteil hat er leider auch nicht betroffene Kollegen degradiert.
Gleichzeitig kann es als ein geschickter Schachzug gewertet werden, um ein möglichst großes Publikum zu erreichen, da die Show als Garant für überdurchschnittliche Zuschauerzahlen steht.
Leoni Aliena Fretz, Viersen, Erasmus-V.-Rotterdam-Gymnasium