„Mama, ich hab so Kopfschmerzen!“ Für Paula M. ist es nicht das erste Mal. Seit zwei Jahren klagt sie immer wieder darüber. Kein Arzt – von Psychologe bis HNO – wusste bislang Rat. “ Na, Stress zu Hause oder in der Schule?“ war die gängige Frage, aber auf die Idee, z.B. die Ernährung dafür verantwortlich zu machen, kam keiner der Mediziner. Nur durch einen Zufall kam die Ursache ans Licht: Paula M. hat Zöliakie.
Zöliakie, auch Sprue genannt, ist eine Unverträglichkeit des Proteins (Klebeeiweißes) Gluten, das sich in den meisten Getreiden findet. Im deutschsprachigen Raum sind etwa 400 000 daran erkrankt. Bei Betroffenen wird durch die Einnahme von Gluten eine Reaktion ausgelöst, die unter anderem die Darmzotten schädigt. Der Körper, das Immunsystem, setzt Stoffe frei, die zu einer entzündlichen Reaktion im Dünndarm führen.
Die typischen Beschwerden sind oft Bauchschmerzen, Blähungen, gelegentlicher Durchfall und übel riechender, breiiger Stuhl. Aber auch Blutarmut, eingeschränkte Leistungsfähigkeit aufgrund von Konzentrationsmangel sowie Depressionen und in seltenen Fällen Kopfschmerzen können weitere Symptome sein.
Um sich wirklich sicher zu sein, dass man Zöliakie hat, sollte man eine Blutuntersuchung machen lassen. Sind bestimmte Antikörper nachweisbar, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zöliakie vor. Sicherer, aber auch aufwändiger, ist eine Magen-Darm-Spiegelung, bei der eine Gewebeprobe aus der Dünndarmschleimhaut entnommen wird. Sind die Darmzotten verkümmert, kann man eindeutig Zöliakie feststellen.
Zöliakie ist keine Krankheit, sondern eine Unverträglichkeit. Die Veranlagung für das Auftreten einer Zöliakie wird häufig vererbt, aber nicht bei jedem, der diese Veranlagung hat, tritt die Zöliakie letztendlich auf. Allerdings haben viele Betroffenen gemeinsam mit der Glutenunverträglichkeit auch eine Laktose-Intoleranz, das heißt, der Milchzucker kann ebenfalls nicht verstoffwechselt werden.
Doch was kann man gegen Zöliakie unternehmen? Eigentlich nichts – außer einer kompletten Ernährungsumstellung, die glutenfrei ist. Reis, Kartoffeln, Mais, Hirse, Buchweizen, Fleisch, Eier, Fisch, Obst und Gemüse sind von Natur aus ohne Gluten. Für Betroffene ungeeignet sind dagegen Produkte, die aus Weizen, Dinkel, Hafer, Gerste, Roggen oder Grünkern bestehen. Alle glutenfreien Produkte sind mit einer durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet. Auch Bier, sofern es nicht gekennzeichnet ist, darf nicht getrunken werden, da in der Herstellung Gerste verwendet wird.
Man wird es nicht vermeiden können, jede Zutatenliste genauestens zu studieren, da oft Weizen und Gerste, auch als Gerstenmalzextrakt, beigemischt wird. Dies findet sich auch in vielen Getränken. Um auch Brot, Nudeln, Bier und Snacks (alles meist aus Reis- oder Maismehl) essen zu können, geht man am besten in Drogerie-Märkte oder Reformhäuser, die spezielle Abteilungen dafür haben.
Theoretisch ist es also ganz einfach, Gluten zu vermeiden, praktisch leider nicht. In einem Haushalt, in dem beide Ernährungsformen vorkommen, braucht man z.B. zwei Toaster, da in dem einen noch glutenhaltige Brotreste sind. Das gleiche gilt für sämtliche Küchenutensilien, Butter, Marmelade, Nutella und andere Dinge, die mehrere Personen mit ihren eigenen Messern bedienen. Auch beim Nudelnkochen muss man darauf achten, sowohl Töpfe als auch Nudelsieb und z.B. die Nudelzange streng auseinander zu halten.
Die folgenden Beispiele zeigen noch andere zöliunfreundliche Situationen. (Zum Verständnis: Zöli = liebevolle Bezeichnung für Zöliakie-Betroffenen)
Geht ein Zöli…
1. … zum Bäcker… geht wieder raus.
2. … auf Reisen und hat einen Koffer voller Essen mit.
3. … auf eine Party und sollte möglichst vorher schon satt sein.
4. … in ein Restaurant und kann nur Kartoffeln und Reis mit Gemüse ohne Sauce essen.
5. … auf die Bank und kriegt die Krise, weil das Zölifood so teuer ist. (teuer ist es wirklich, allerdings erhalten Hartz IV-Empfänger einen Zuschuss)
Verzichten ist eine der Grundtugenden von jedem Zöli!
Annika Stock-Schräer, Dinslaken, Otto-Hahn-Gymnasium Dinslaken