Das Wort „Kumpel“ hat für den 21-jährigen Patrick eine andere Bedeutung, als für die meisten seiner Altersklasse. Patrick trifft seine Kumpel auch nicht nach Feierabend in einem Club oder einer Bar, sondern jeden Tag auf der Arbeit. Denn Patrick ist Bergmann.
Sein Arbeitstag in seiner Zeche in Hamm beginnt um sechs, da steht er fertig angezogen mit den Kumpeln von der Frühschicht an der Bushaltestelle, um zu seinem Arbeitsplatz zu fahren, dem Schacht „Lerche“. Um viertel nach sechs stehen rund 100 Bergmänner in voller Montur vor dem Förderkorb und warten darauf, eingefahren zu werden. „Die ersten Male war es noch richtig aufregen.“ Patrick lacht. „Jetzt nur noch ein bisschen.“
Im Schacht ist es überraschend warm, 30 Grad. Es riecht nach Arbeit, und der Boden ist von kleinen Steinchen und Geröll bedeckt. Das Licht ist schummrig und wirft merkwürdige Schatten auf die gleichgültigen Gesichter der Bergmänner, sie sind diese Prozedur gewohnt und machen sich nach und nach in kleineren Gruppen auf den Weg zu ihren unterschiedlichen Arbeitsplätzen im Stollen.
Die Vielseitigkeit des Berufs, die von vielen unterschätzt wird, gefällt Patrick besonders. „Hier machst Du jeden Tag was anderes, aber oft ist es hart und manchmal eklig, letzte Woche stand ich bis zum Bauchnabel im Schlamm, weil eine Rohrleitung geplatzt ist“, berichtet Patrick. Die Anstrengung, die dieser Beruf mit sich bringt, unterschätzt keiner der Männer unter Tage. Aber sie haben gelernt, mit Herausforderungen umzugehen.
Auf den Beruf kam Patrick durch seinen Vater, der ebenfalls in der Zeche arbeitet. Früher war der Beruf des Bergmanns ein traditioneller, der in der Familie immer weiter gegeben wurde. Es war üblich, dass alle männlichen Familienmitglieder unter Tage arbeiteten, aber das ist lange her. Spätestens als 1986 Europas ehemals größte Zeche „Zollverein“ in Essen geschlossen wurde, da die Bodenschätze in den vorhandenen Schächten ausgeschöpft waren, wurde der breiten Öffentlichkeit bewusst, dass das Zeitalter der deutschen Steinkohleförderung und Industriekultur bald zu Ende sein würde.
Patricks heutiger Arbeitsplatz liegt tief im Schacht, früher mussten die Arbeiter die langen Wege durch den Stollen zu Fuß gehen, doch Patrick und ein weiterer Kollege fahren: Sie legen sich auf die Förderbänder und rasen mir überraschend hoher Geschwindigkeit immer tiefer in den Stollen, der Kollege mit dem er heute unterwegs ist, ist ein so genannter Althauer. Also ein Kumpel, der nur noch ein bis zwei Jahre zu arbeiten hat.
Überhaupt sind junge Bergmänner selten geworden, viele sehen keine Zukunft mehr in dem Beruf. Obwohl es sich mit der Erfahrung, die deutsche Bergarbeiter haben, in der Schweiz gut im Tunnelbau arbeiten lässt. Selbst wenn man dafür wegziehen muss. Wegziehen muss Patrick aber auf jeden Fall: Im September schließt seine Zeche, und die Belegschaft wird auf die verbleibenden drei Zechen in Deutschland aufgeteilt.
1955 waren es noch 183 Zechen. Patricks Jahrgang ist auch der letzte, der speziell zum Bergmechaniker ausgebildet wurde. Seit 2009 wird nur noch zum Bergbautechnologen ausgebildet, seitdem können erstmals seit 1935 auch Frauen diesen Beruf ausüben. Außerdem wurden die 3,5 Jahre Ausbildungszeit auf drei Jahre reduziert.
Patrick weiß, dass sein Beruf wenig Zukunft hat, doch selbst wenn er eines Tages in die Schweiz gehen muss, wird er die Jahre auf der Zeche nicht vergessen. Ganz besonders den Zusammenhalt unter den Kumpeln nicht: „Unter Tage zählt das, was Du leistest, und nicht, wo Du herkommst“, sagt Patrick zufrieden und spricht damit etwas aus, was in vielen Berufen in Deutschland leider keine Selbstverständlichkeit ist.
„Ganz egal, wie es um die Zukunft hier im Bergbau steht, bis jetzt ist immer alles gut gegangen“, sagt Patrick und blickt in die Ferne. Ein bisschen Hoffnung und Zuversicht kann man in seinen Augen lesen.
Hannah Jergas, Hilden, Priv.dietr.-Bonhoeffer-Gym.